Ranked: Gerry Rafferty

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Wenn der Name Gerry Rafferty fällt, haben die meisten sofort die Saxofonklänge aus Baker Street im Ohr und das, obwohl Rafferty sich eigentlich einen Namen als ruhiger Akustikgitarrist gemacht hatte. Anfangs noch im Folkpop-Trio The Humblebums zusammen mit Billy Connolly, dann nach einem Solo-Album in der Folkrock-Band Stealers Wheel. Mit einem erstaunlichen Gespür für einprägsame Melodien verweilte er im Softrock-Genre, ließ aber stets Spielraum für Einflüsse aus anderen Genres, wie Jazz, Folk oder auf seinem letzten Album sogar Klassik. Viele Alben widmete er Lebensabschnitten wie City to City seiner stressigen Zeit, in der er zwischen Glasgow und London für seine Aufnahmen pendelte oder On a Wing and a Prayer, auf dem er seine Scheidung verarbeitete. Doch der Erfolg hatte auch seine Schattenseiten. Rafferty war Zeit seines Lebens ein starker Trinker und verstarb 2011 infolge an Leber- und Nierenversagen. Trotz diesem unwürdigem Ende blieb Rafferty als lässiger und tiefgründiger Musiker im Herzen seiner Fans.

TOP 5 zum ersten Reinhören:
Stuck in the Middle With You (1972, Stealers Wheel)
Star (1973, Ferguslie Park)
Baker Street (1978, City to City)
Right Down the Line (1978, City to City)
I Was a Boy Scout (1980, Snakes and Ladders)

Over My Head (1994) – 0,6/10: Reinfall!
Over My Head wurde direkt nach seinem Vorgänger unter fast der gleichen Besetzung aufgenommen. Da kommt natürlich unweigerlich die Frage auf: Wie konnte dieses Album nur so schlimm vor die Wand gefahren werden? Rafferty quält sich durch die 50min Albumlänge und von halbgaren neuen Stücken bis zu sinnlosen Neueinspielungen und Coverversionen wurde keine Geschmacklosigkeit ausgelassen. Der richtungslose Softrocker „Bajan Moon“ bleibt beispielsweise ohne jeden Wiedererkennungswert, ähnlich wie das flotte, jedoch viel zu beliebige „The Waters Of Forgetfulness“. „Down and Out“ kann zumindest mit starkem Gesang punkten, jedoch sind die Countrytöne unpassend und das Stück insgesamt zu zahm. Das Titelstück ist eine seelenlose Pop-Ballade, was die Frage aufwirft, warum das Album ausgerechnet nach ihr benannt wurde. Auf dem durchaus flotten Poprocker „The Girl’s Got No Confidence“ bemüht sich Rafferty viel zu verkrampft sich dem Mainstream anzunähern. „Wrong Thinkin“ ist ein verworfenes Lied von Stealers Wheel geriet wesentlich zu unspektakulär. Solide Kost ist „Lonesome Polecat“, ein Cover aus dem Musical Seven Brides for Seven Brothers, hier interpretiert als langsames Countrystück. Die Neuaufnahmen von „Right or Wrong“ und „Late Again“ sind unnötig, da ihnen die nötige Spielfreude der Originale fehlen. Auch „Clear Day“ ist ein verworfenes Lied der Stealers Wheel-Ära und wurde hier zum sehr braven Folkrocker. Eine wahre Frechheit ist das John Lennon-Cover „Out The Blue“, das wesentlich zahmer als das Original ausfiel. Mit „A New Beginning“ gibt es nochmal unnötige elektronische Klänge, die das Stück zu reiner Pop-Wegwerfware werden lassen. Wer das Album bis zu diesem Punkt durchsteht, wird aber doch noch belohnt: Das verworfene Humblebums-Stück „Her Father Didn’t Like Me Anyway“ ist eine emotionale Akustikballade, die den Hörer zutiefst berührt. Nur… warum musste der Rest so seelenlos ausfallen?
TOP: Her Father Didn’t Like Me Anyway

Life Goes On (2009) – 1,1/10: Reinfall!
Das letzte zu Lebzeiten von Rafferty veröffentlichte Album ist ein sehr seltsames Machwerk. Strenggenommen ist es nicht mal ein richtiges Album, denn nur „Your Heart’s Desire“ ist ein neu geschriebenes Stück. Darüber hinaus gibt es viele Coverversionen – vorzugsweise von Stücken aus der Klassik. Zu allem Überfluss besteht das Album jedoch zu über der Hälfte aus einem Best of der Ära von 1992 bis 2000. Teilweise ist die Songauswahl dabei gelungen, teilweise wurden absolute Gurken aus dem Archiv gezogen. Auf dem Album macht das von Mozart geschriebene Stück „Kyrie Eleison“ den Start. Im Fokus steht der Chor, das Instrumental bleibt minimalistisch. Die Stimmung zieht dabei den Hörer jedoch sehr runter und ist damit nichts, was zu Rafferty passt. Darauf folgen die Neuaufnahmen von den Softrock-Stücken „The Waters of Forgetfulness“ und „Don’t Speak Of My Heart“, die sogar durchaus gelungen sind. Cover-Versionen von Beatles-Songs sind immer ein großes Wagnis und funktionieren nur sehr selten. So auch Raffertys Cover von „Because“, das zwar passabel, aber kein Vergleich zum Original ist. Nach dem Best Of-Part lässt das einzige wirkliche Highlight aufhorchen: „The Maid Of Culmore“ ist ein mystisches Folkstück, das keltisch anmutet. Die Eigenkomposition „Your Heart’s Desire“ ist nochmal solider Softrock, der besser, aber fairerweise auch schlimmer hätte ausfallen können. Die letzten beiden Stücke „Adeste Fidelis“ und „Silent Night“ sind kirchliche Weihnachtslieder und haben damit ebenfalls auf einem Rafferty-Album nichts verloren. Es ist ab diesem Punkt kaum zu glauben, dass Rafferty zeitweise alle Songs seiner Alben selber schrieb…
TOP: The Maid of Culmore

North and South (1988) – 2,9/10: Reinfall!
Auf dem Vorgänger Sleepwalking bahnten sich die seichten 80er Sounds bereits an, auf North and South übertrieb Rafferty es aber damit. Zu schade, denn obendrein entwickelte er eine Vorliebe für keltische Klänge, die hier wunderbar funktionierten. Das Album beginnt sogar durchaus vielversprechend mit dem sehr beschwingten Titeltrack, der sich an zeitgemäßen Celtic Rock orientiert. Leider geriet schon „Moonlight and Gold“ zu einem sehr mageren 80er Poprocker. Lediglich „Tired of Talking“ war noch wirklich gelungen, gewohnt energetisch, ausgeschmückt mit keltisch anmutenden Geigen. Danach sinkt das Niveau jedoch kontinuierlich. Die sehr bemüht verträumte Ballade „Hearts Run Dry“ rutscht schon fast ins Schlagerhafte ab, während „A Dangerous Age“ zwar flott, durch die Synthies viel zu kalt ist. Die Single „Shipyard Town“ wird zunächst durch vielversprechende, Irish Folk-Artige klänge eingeleitet, dann geht das Stück jedoch in einen viel zu künstlichen Klang über. Bei „Winter’s Come“ entdeckte Rafferty wohl die Demotaste auf seinem Keyboard, daher kaum der Rede wert. Leicht aufwärts geht es mit dem flotten Rock ‚n‘ Roll „Nothing Ever Happens Down Here“, jedoch klingt die Band hier eher bemüht als gewohnt lässig. Auch „On A Night Like This“ startet durchaus interessant, mit einem dramatischen Klavierintro, jedoch geht es danach erneut sehr ins Schlagerhafte. Der Schlusstrack „Unselfish Love“ ist sehr künstlich klingender Poprock mit kaum Biss. Zu schade, dass hier die neuen Chancen so wenig genutzt wurden!
TOP: North and South; Tired of Talking

Another World (2000) – 4,3/10: Zwiespältig!
Zur Jahrtausendwende veröffentlichte Rafferty ein verhältnismäßig langes Album. Eine Entscheidung, die sich leider rächte: für knapp 70min enthält dieses Album zu viel Lückenfüller und Wegwerfware. Dadurch kommen die leider zu wenigen Highlights kaum zur Geltung, genau wie die Gastbeiträge vom ehemaligen Dire Straits Frontmann Mark Knopfler. Dabei ist das erste Stück „All Souls“ mit seinem neuen Zeitgemäßen Sound ein gelungener Poprocker. Auch „The Land Of The Chosen Few“ ist mit seinem psychedelisch angehauchten Softrock positiv anzurechnen. Auf „Keep It To Yourself“ ließ sich Rafferty stark vom Jazz beeinflussen und verlieh dem Stück ein schnelles Saxofon-Solo, dann jedoch fällt das Album zu stark ab. „Sweet Love“ ist unspektakulärer Softrock ohne eigenen Charakter, während „Whose House Is It Anyways“ hoffnungslos den damaligen Poprhythmen verfiel und dadurch schon hart an der Grenze des guten Geschmacks wandert. Der Softrock „It’s Better This Way“ ist zumindest solide, wenn er nur im Hintergrund laufen soll. Aufatmen heißt es jedoch bei „Concsious Love“, einem seichten, jedoch locker-coolem Stück mit frühem Dire Straits Klang. Auf „Sweet Surrender“ hätten erneut weniger Synthies gutgetan, insgesamt hätte es allerdings schlimmer kommen können. Das letzte Highlight des Albums ist „Everytime I Wake Up“, das sehr verträumt ist und teilweise einen gar futuristischen Touch hat. Der Rest des Albums fällt wieder sehr stark ab. „Xavier & Honor“ und das Titelstück sind schlicht belanglos, während „Metanoia“ (viel zu gehetzt) und „Children of the Sun“ schlicht einen viel zu kalten Klang haben. Das Remake vom Stealers Wheel Klassiker „You Put Something Better Inside of Me“ geriet hingegen zur zahnlosen Synthieballade.
Rafferty hätte ein solides Album abgeliefert, hätte er sich nur von der Hälfte der Stücke vorab verabschiedet…
TOP: All Souls; Keep It To Yourself; Conscious Love; Everytime I Wake Up

Sleepwalking (1982) – 6,1/10: Gelungen!
Auf Sleepwalking war Gerry Rafferty in den 80ern abgekommen. Oder waren die 80er bei Gerry Rafferty angekommen? Diese Frage stellt sich der Hörer unweigerlich, denn von dem handgemachten Sound der bisherigen Alben entfernte sich Rafferty hier sehr weit. Stattdessen gab es kalte Synthesizerklänge und zeitgemäße Pop-Rhythmen. Doch zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: Auch wenn Sleepwalking kein Überalbum ist, ist es beileibe kein Reinfall. Gerade der Opener „Standing at the Gates“ bleibt über die knapp sieben Minuten spannend und bietet lockeren Rock im neuen 80er-Sound, samt gelungenem Saxofonsolo. Bei „Good Intentions“ ging der Schuss mit dem Drumcomputer allerdings nach hinten los, denn die Ballade wurde obendrein durch die mediokre Klavieruntermalung zu seicht. Abhilfe verschafft hingegen der energetische Synthie-Rocker „A Change of Heart“. Rafferty wollte das ruhige „On the Way“ gefühlvoll wirken lassen, doch es bleibt leider viel zu ausdrucksarm. Auch beim Titelstück will der Funke nicht so recht überspringen (auch wenn es zugegeben ziemlich eingängig geriet), denn der Refrain zündet einfach nicht und das Instrumental wirkt zu billig. Zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus gelungen ist der Blues „Cat and Mouse“, bei dem die Synthesizer endlich sinnvoll eingesetzt wurden. Auf „The Right Moment“ lies Rafferty das Instrumental in den Hintergrund rücken und legte den Fokus auf seinen Gesang. Eine solide Ballade, die später auch von Olivia Newton-John gecovert wurde. Zum Abschluss gab es allerdings nochmal ein absolutes Highlight: „As Wise as a Serpent“ hat einen leicht mysteriösen Touch, und ist in Bester Singer-Songwriter-Manier, samt mitreißendem Instrumental.
TOP: Standing at the Gates; A Change of Heart; Cat and Mouse; As Wise as a Serpent

Right or Wrong (Stealers Wheel, 1975) – 6,3/10: Gelungen!
Im Verhältnis zu seinen starken Vorgängern fällt das dritte Stealers Wheel Album etwas ab, auch wenn es beileibe kein Reinfall ist. Gerade aufgrund seines niedrigen Bekanntheitsgrades gibt es hier viele verborgene Perlen zu entdecken, auch wenn das Album mit dem beschwingten und leicht psychedelischem „Benediction“ eher schwach anfängt. Die erste Single „Found My Way To You“ ist hingegen sehr gelungener Soft Rock mit Heile Welt-Charakter und klarem Fokus auf Pianoklängen. Viel zu unspektakulär hingegen das Folk-Liedchen „This Morning“. Ein viel zu unbekanntes Stück der Band ist der nostalgische Electric Blues „Let Yourself Go“, der die Atmosphäre eines Roadtrips verbreitet. Deutlich ruhiger wurde die Ballade „Home From Home“, in der Rafferty und Egan eindrucksvoll ihre Qualitäten als gefühlvolle Duettsänger zeigten. Härtere Akzente setzten der bissige Folkrocker „Go As You Please“ und der energetisch gesungene Bluesrocker „Wishbone“. Auf dem Countrystück „Don’t Get Me Wrong“ wurde das Tempo wieder deutlich erhöht, bevor das Album nochmal an Qualität nachlies. „Monday Morning“ ist ein sehr standartmäßiger Blues ohne Überraschungen, das Titelstück und unspektakulärer Folkrock, der zu allem Überfluss noch mit viel zu seichten Geigenklängen ausgestattet wurde.
Noch im Jahr, in dem dieses Album veröffentlicht wurde, löste sich die Band auf – ein konsequenter und richtiger Schritt, denn die Luft war langsam, aber sicher raus.
TOP: Found My Way To You; Let Yourself Go; Go As You Please; Wishbone; Don’t Get Me Wrong

Rest in Blue (2021) – 7,0/10: Gelungen!
10 Jahre nach dem Tod Gerry Raffertys, wurde dieses posthume Archivalbum veröffentlicht. Eigentlich ging die Fangemeinde davon aus, dass nach der fürchterlichen Resteverwertung auf dem Vorgänger Life Goes On die guten Archivaufnahmen ausgegangen wären. Weit gefehlt! Hier wurde nochmal ein Album mit vielen Highlights geschaffen, was natürlich die Frage aufwirft, warum Rafferty nicht zu Lebzeiten noch an diesen Stücken bediente, wenn er schon auf seinem letzten Album auf Outtakes zurückgriff… Das erste Stück „Still in Denial“ ist ein flotter Rocker mit Countrytouch, und damit genau das, was sich die Fans von Rafferty erhofften. Gerade die Orgel und Mundharmonika gerieten hier sehr stark. „Full Moon“ zeigt wieder Raffertys Stärke als Interpret emotionaler Klavierballaden. Selten klang der Meister so verzweifelt wie hier (natürlich im positiven Sinne!). Hingegen „Sign of the Times“ wäre hier nicht nötig gewesen. Viel zu unfertig klingt es, darüber hinaus noch zu gehetzt. Ablösung verschaffen die eindringliche Ballade „You Are All I Want“, sowie die mit Biss versehene Popballade „I Still Love You“. Gesangliche Höchstleistungen hat das balladeske Folkstück „Wild Mountain Thyme“. Sehr fragwürdig ist die Entscheidung „Slow Down“ mit auf das Album zu nehmen. Es stammt aus der unsäglichen Synthie-Ära der 80er und geriet zu seelenlosem Poprock. Umso mehr Tiefgründigkeit hat „It’s Just the Motion“, das eine sehr nachdenkliche Atmosphäre hat. Die letzte Enttäuschung auf dem Album bildet „Look at Me Now“. Rafferty hat einen erstaunlich schlechten Gesang und die harten Gitarren harmonieren überhaupt nicht mit der seichten Orgel. Umso erfreulicher, dass das restliche Album noch ein paar wahre Highlights bereithält! Ähnlich wie „It’s Just the Motion“ bietet „Dirty Old Town“ eine nachdenkliche, reflektierende Atmosphäre und wird unüblich von Orgel und Bass getragen. Bei „Lost Highway“ (keine Verbindung zum gleichnamigen Film) handelt es sich um ein energetisches Folkrock-Stück, das einen mysteriösen Touch erhielt. „Keeper of My Soul“ geriet hingegen zu lässig und beschwingt wie zu Raffertys besten Zeiten. Zum Ende hin gibt es nochmal Lagerfeuerstimmung auf „Precious Memories“. Abgerundet von einer Solo-Variante von „Stuck in the Middle With You“, die flott und etwas moderner geriet und insgesamt nett ist, aber nicht ans Original rankommt.
Auch wenn nicht jedes Lied vollends gelang, wurde Raffertys Diskografie um ein starkes Album bereichert!
TOP: Still in Denial; Full Moon; You Are All I Want; Wild Mountain Thyme; Dirty Old Town; Lost Highway; Precious Memories

On a Wing and a Prayer (1992) – 7,1/10: Gelungen!
Raffertys erstes Werk der 90er ist in vielerlei Hinsicht ein Besonderes. Zunächst ist es sein erstes Album seit seiner Stealers Wheel-Zeit, auf dem er nicht alle Stücke selbst schrieb (Drei Stücke wurden von Bruder Jim geschrieben, außerdem gibt es ein Cover). Darüber hinaus holte er sich seinen ex-Bandkollegen Joe Egan für dieses Album zurück ins Studio. Und zu guter Letzt hat dieses Album seine ganz eigene Atmosphäre, dadurch dass es sehr von seiner Scheidung 1990 geprägt ist. Glücklicherweise gab es eine Rückkehr zu dem gewohnten Soft/Folkrock Sound, nachdem sich Rafferty in den 80ern an den Synthesizern austobte. Das Album startet ungewohnt mit einem Chorgesang, wobei sich „Time’s Caught Up on You“ dann zu einem gefühlvollen, jedoch gleichzeitig lockeren und spielfreudigen Softrocker entwickelt. „I See Red“ hingegen lässt Empörung, jedoch keine Wut spüren. Bei „It’s Easy to Talk“ wurde wieder das richtige Händchen für Pianoballaden gezeigt. Leider gerieten „I Could Be Wrong“ (leider wieder unpassende Synthesizer) und „Don’t Speak Of My Heart“ etwas zu zahnlos. Überraschenderweise folgte mit „Get Out Of My Life Woman“ ein Cover des Soul und Jazz-Veteranen Allen Toussaint. Entgegen dem Original hat diese Version elektronische Klänge und klingt damit für die 90er sehr modern. Eine Idee, die erschreckend gut funktionierte. Auf „Don’t Give Up on Me“ konnte man sich allerdings zwischen einer nachdenklichen und fröhlichen Atmosphäre nicht so recht entscheiden, wodurch es leider abfällt. „Hang On“ hingegen ist eine erstklassige Rückkehr zum alten Stil: groovy und lässig, dabei mit der nötigen Härte gespielt und mit erstklassigem Saxofon ausgestattet. Während die Keyboardklänge „Love and Affection“ leider zu künstlich wirken ließen, wurde „Does He Know What He’s Taken On“ zu einem lässigen Bluesrocker, bei dem die Synthesizer perfekt harmonierten. Mit seinen sehnsüchtigen Klängen und seinem Tiefgang im Text wurde „The Light of Love“ hingegen zu einer erstklassigen Pop-Ballade. Abgerundet mit dem optimistischen, wenn auch ein wenig abfallenden „Life Goes On“ geriet Rafferty endlich mal wieder ein starkes Werk.
TOP: Time’s Caught Up on You; It’s Easy to Talk; Get Out of My Life Woman; Hang On; Does He Know What He’s Taken On; The Light of Love

Night Owl (1979) – 8,1/10: Bester Stoff!
Nach dem Riesenerfolg von City to City versuchte Rafferty direkt an das Vorgängeralbum anzuknüpfen. Die Formel funktionierte weiterhin: Softrock und Balladen im Wechsel mit härterem Bluesrock, dabei wurde Rafferty nie von seinem Gespür für eingängige Melodien im Stich gelassen. Das Album startet seicht mit „Days Gone Down“, der vielleicht eindringlichsten Ballade des Sängers. Das Titellied hingegen ein lockerer Softrock über das Nachtleben. Solide Kost ist „The Way That You Do It“, eine teils ruhige, teils eindringliche Ballade. Durch sein Akkordeon ungewöhnlich maritim klingt hingegen „Why Won’t You Talk to Me“. Herzstück des Albums ist jedoch der Bluesrock „Get It Right Next Time“, das gewohnt lässig gespielt wurde. „Take The Money and Run“ geriet zum flotten Rockstück. „Family Tree“ wird sehr unerwartet mit einem Pfeifenorgel-Intro eingeleitet und geht dann in einen lockeren Softrocksound über. Ebenfalls eine Idee, die wunderbar zündet! Folkig geht es mit „Already Gone“ weiter, leider fehlt dem Stück jedoch der nötige Biss. Zum Ende wird jedoch zur Genüge mit dem sehr kernigen Midtempo-Blues „The Tourist“ und der Pianoballade „It’s Gonna Be a Long Night“, die ihrem Titel gerecht wird und das Nachtleben wunderbar einfängt, entschädigt. Auch wenn das Album nicht so kommerziell erfolgreich wie City to City wurde, ist es ein rundes Album mit kaum Abstrichen und ein Muss für jeden Fan Raffertys.
TOP: Days Gone Down; Night Owl; Get It Right Next Time; Take The Money and Run; Family Tree; The Tourist; It’s Gonna Be a Long Night

Can I Have My Money Back? (1971) – 8,6/10: Bester Stoff!
Noch im selben Jahr in dem sich die Humblebums auflösten, veröffentlichte Rafferty seiner erste Solo-LP. Mit von der Partie: Joe Egan, mit dem Rafferty bereits kurze Zeit später Stealers Wheel gründen sollte. Zwar floppte das Debut-Werk bei der Erstveröffentlichung ziemlich gnadenlos, jedoch zeigte der junge Schotte bereits, dass er das nötige musikalische Können für eine Solokarriere besaß. Der niedrige Bekanntheitsgrad des Albums ist daher auch absolut zu Unrecht und zahlreiche Lieder des Albums mittlerweile Geheimtipps. Der Opener „New Street Blues“ ist dafür ein perfektes Beispiel: flott und dabei locker, mit Orgel und Bläsern passend ausgestattet, enthält der Song alles, was der Hörer von Rafferty erwartet. Sein Geschick für eingängige Melodien bewies der bei „Didn’t I?“, einem sehr lockeren Country-Rocker. Flotter Electric Blues findet sich bei „Mr. Unsivere“, das teils an I Can Help von Billy Swan erinnert. Durch das Album hinweg zeigt sich Rafferty auch immer wieder als Storyteller, wie auch beim folkigen Softrocker „Mary Skeffington“. „The Long Way Round“ hingegen ist eine sehr gefühlvolle Ballade mit gelungenem Piano-Intro. Beim Titelstück geht es wieder zurück in den Storyteller-Modus. Folk, mit eindringlichem Gesang, der durch Geigenklänge noch verstärkt wird. Die Folkrockstücke „Sign on the Dotted Line“ und „Make You, Break You“ haben Jam-Charakter und die Spielfreude der Band ist deutlich spürbar. Ungewöhnlich, aber in voller Gänze gelungen ist die Ballade „To Each and Everyone“, bei dem auf Harmonium gesetzt wurde. Leider fallen die letzten Stücke auf dem Album etwas ab. „One Drink Down“ schlurft zu müde vor sich hin, das sentimentale „Don’t Count On Me“ ist im besten Fall solide und „Half a Chance“ verpatzt den Wechsel zwischen ruhiger Ballade und einem groovy Rockstück. Abgeschlossen wird das Album von der eindringlichen Klavierballade „Where I Belong“ – grundsätzlich nicht schlecht, aber ein paar Highlights hätten gutgetan.
Trotz Schwächen gegen Ende, geriet dieses Album sehr stark und ist ein erstklassiges Fundament für spätere Großtaten.
TOP: New Street Blues; Didn’t I; Mr. Universe; The Long Way Round; Can I Have My Money Back; Sign On the Dotted; Make You, Break You; To Each and Everyone

Ferguslie Park (Stealers Wheel, 1973) – 9,1/10: Meisterwerk!
Einen dermaßen starken Nachfolger zu dem Debutwerk hatte wohl kaum jemand Stealers Wheel zugetraut und tatsächlich geriet dieses Album (leider völlig zu Unrecht) etwas in Vergessenheit. Durch Umbesetzungen entstand statt einem Band-Projekt, ein Duettwerk von Rafferty und Egan, samt einer Horde Gastmusikern. Dabei blieben sie ihrem Stil aus eindringlichen Balladen, Bluesrock und Folkklängen jedoch treu und erschufen ein Werk, das dem Namen Stealers Wheel mehr als gerecht wurde. Auf dem flotten und teils hardrockigen „Good Businessman“ bewies das Gespann Duettqualitäten. Die Single „Star“ sollte sowohl stilistisch als auch kommerziell zu einem zweiten „Stuck in the Middle With You“ werden. Auch hier setzte man auf verträumten Folkrock mit Countryeinflüssen. Auch das groovige „Wheelin“ profitiert vom Duettgesang, auch wenn es deutlich weiter im Softrock und viel verträumter ist. Bei „Waltz (You Know It Makes Sense!)“ versuchte sich das Duo an psychedelischen Klängen und einem minimalistischen Stil, was leider nicht so recht zünden will. Auf „What More Could You Want“ experimentierte die Band (erfolgreich) mit einer Symbiose aus Mini-Moog und E-Gitarre und erschuf so ein flottes Rockstück. Im Kontrast dazu ist „Over My Head“ eine sehr verträumte Ballade, die sich in Raum und Zeit verliert. Mit „Blind Faith“ ging es wieder rockig und mit angezogenem Tempo weiter, das Stück hätte ebenfalls von der gleichnamigen Band stammen können. Balladesk wurden wieder „Nothing’s Gonna Change My Mind“ (Sehr schwermütig) und auch „Steamboat Row“ (Ruhig, wieder im Storyteller-Bereich). Der Electric Blues „Back On My Feet Again“ groovt ebenfalls wunderbar und zeigt die Spielfreude der (Teil-)Band. Die psychedelisch angehauchte Ballade „Who Cares“ hingegen wirkt im Verhältnis leider etwas überflüssig.
Trotz neuem Umfeld wirkt das Album stets wie ein festes Bandprojekt, eine Schande, dass es nicht im gleichen Maße erfolgreich wie sein Vorgänger wurde.
TOP: Good Businessman; Star; Wheelin; What More Could You Want; Blind Faith; Nothing’s Gonna Change My Mind; Steamboat Row; Back On My Feet Again

Snakes and Ladders (1980) – 9,2/10: Meisterwerk!
Anfang der 80er feuerte Rafferty nochmal aus allen Rohren und lieferte ein Album der Extraklasse ab. Völlig zu Unrecht bekam dieses Machwerk nicht den Legendenstatus von City to City oder Stealers Wheel, gerade daher lohnt es sich dieses Album nochmal retroperspektiv zu betrachten, denn Schwachstellen gab es hier kaum, dafür klang Rafferty selten so spielfreudig wie auf diesem Album. Der Einstieg ist erstmal ungewohnt: „The Royal Mile“ klingt eher nach Marschmusik aus den vergangenen Jahrhunderten, funktioniert aber beachtlich gut. „I Was a Boy Scout“ hingegen ist der beschwingte Folkrock, den man vom Meister gewohnt ist. Mit „Welcome to Hollywood“ ist auch Softrock mit nachdenklichem Unterton vorhanden, während „Wastin‘ Away“ zu einem wunderbar eingängigen und schnellem Bluesrocker wurde. Mit „Look at the Moon“ wurde ein gewagtes Experiment beigesteuert, das allerdings wunderbar funktionierte: Völlig untypisch hat das ruhige Stücke eine unheimliche, teils gar bedrohliche Atmosphäre, dass es einem kalt den Rücken runterläuft. Nichts, was man als Hörer erwartet, aber absolut gelungen. Zurück zu den Wurzeln war dann wieder „Bring It Back Home“, erneut nachdenklich, dieses Mal allerdings als langsamer Blues. Leider hatte man sich bei „The Garden of England“ dann aber etwas verzettelt, denn die Synthesizerklänge tun der Ballade nicht wirklich gut und so bleibt das Stück ziemlich nichtssagend. Es folgem die neu eingespielte Version von „Johnny’s Song“, das zügiger als das Stealers Wheel-Original ist und im neuen Gewand wunderbar funktioniert, sowie die Neuaufnahme von „Didn’t I“ (vorher auf Can I Have My Money Back), dass den Folkklang des Originals durch rockigere Akzente ersetzt und ebenfalls eine sinnvoller Retake ist. Weitere Highlights des Albums sind „Syncopatin‘ Sandy“ und „Cafe Le Catobin“, bei denen Rafferty erneut als Storyteller agiert, dabei aber einen groovy Rocksound beibehält. Zum Schluss wird es mit „Don’t Close the Door“ nochmal balladesk, durchaus nett, aber leider nicht mehr.
TOP: The Royal Mile; I Was a Boy Scout; Wastin‘ Away; Look at the Moon; Bring It All Home; Johnny’s Song; Didn’t I; Syncopatin‘ Sandy; Cafe Le Cabotin

Stealers Wheel (Stealers Wheel, 1972) – 9,4/10: Meisterwerk!
Auf Raffertys Debutwerk durfte Joe Egan nur auf einem Stück als Co-Writer mitwirken, auf dem ersten Werk ihrer neuen Band lag das Schreib-Verhältnis bei fast 50/50. Dass nun zwei kreative Masterminds den Ton angaben kam dem Album nur zugute: Der kommerzielle Durchbruch war endlich da und auch die internationale Presse gab den Schotten endlich Gehör. Das Album zieht schon zu Beginn direkt in seinen Bann: der Softrocker „Late Again“ ist zwar langsam, doch seine melancholische Spielweise, samt Saxofonpassagen, überzeugt auf voller Linie. Die zweite Single „Stuck in the Middle With You“ geriet zum Achtungserfolg und Aushängeschild der Band. Hier wurde eine einmalige Country-Atmosphäre versprüht und ein eingängiger Rhythmus geschaffen. „Another Meaning“ hingegen setzte auf seichte Klavierklänge, die mit schwermütigem Gesang gepaart wurden. Im Kontrast dazu geriet „I Get By“ zu einem ausdrucksstarken Hard Rock-Stück, dass auch von Free oder Nazareth hätte stammen können. Bei „Outside Looking In“ verbreitet das Instrumental eine Nachtleben-Atmosphäre, während der Gesang sehr sehnsüchtig geriet. Auch der lässige Bluesrocker „Johnny’s Song“ reiht sich nahtlos in die starken Songs ein. Leider nicht so „Next To Me“. Der von Keyboards getragene Softrock geriet zwar etwas zu seicht, fällt aber nicht allzu schwer ins Gewicht. Ein Meisterwerk der Übergänge ist „José“, hier gelangen die Übergänge zwischen verträumten und härteren Passagen, sowie der Fokuswechsel zwischen Klavier und Gitarre wunderbar. Erneuten Fokus auf Keyboard-Klänge gab es bei „Gets So Lonely“, einem netten, aber nicht essenziellen Stück. Den Abschluss bildet die dritte Single „You Put Something Better Inside Me“, eine sehr eindringliche Ballade, mit sehr überzeugendem Gesang. Trotz vieler Stilwechsel durch das Album durch, entwickelte die Band ihre ganz eigene unverwechselbare Handschrift.
TOP: Late Again; Stuck in the Middle With You; Another Meaning; I Get By; Outside Looking In; Johnny’s Song; José; You Put Something Better Inside Me

City to City (1978) – 9,9/10: Meisterwerk!
Das Kapitel Stealers Wheel war beendet und nach einer mehrjährigen Kreativpause werkelte Rafferty fleißig an seiner neuen Solo-Scheibe. Rückwirkend beklagte er sich oft über diese Zeit, er pendelte zwischen Glasgow und London und war dem steten Druck seiner Plattenfirma ausgesetzt. Doch das Ergebnis spricht Bände: Platz 1 in den US-Charts, sechs Single-Auskopplungen und ein Plattencover, das unverwechselbar mit dem Schotten assoziiert wird. Schon die Pianoballade „The Ark“ mit seinem an Irish-Folk erinnernden Intro ist ein starkes Statement. Getoppt wird es aber bereits mit dem berühmten „Baker Street“, das vor allem durch seinen Wechsel von Saxofonparts und Storyteller-Gesang punktet. Es geht stark mit dem beschwingten, jedoch deutlich ruhigeren „Right Down the Line“ weiter. Das Titellied ist bodenständig-flotter Folkrock, bei dem, ebenfalls sehr gelungen, Geige eingesetzt wurde. Interessanterweise setzte Raffertys damalige Plattenfirma United Artists auf das Titelstück als erfolgreichste Single, jedoch erkannte Rafferty bereits vor Veröffentlichung das Potential von „Baker Street“. Bei „Stealin‘ Time“ zeigte Rafferty sich wieder sehr gefühlvoll und ließ das Intrumental dieser Ballade streckenweise fast minimalistisch werden. „Mattie’s Rag“ hingegen ist ein locker-cooler Blues. Die Klavierballade „Whatever’s Written in Your Heart“ geriet mit 6,5 Minuten zum längsten Stück auf diesem Album und zeigt wieder eindrucksvoll den emotionalen Gesang von Rafferty. Sehr lässig ist der Gesang hingegen auf dem basslastigen Blues „Home and Dry“. Das entspannte „Island“ lädt mit seinen Saxofonklängen zum Träumen ein und reiht sich trotz seinen ungewohnten Klängen perfekt in das Album ein. Zum Abschluss lässt es „Waiting for the Day“ noch einmal ordentlich krachen: moderner Rock ‚n‘ Roll, gewohnt lässig rübergebracht!
TOP: The Ark; Baker Street; Right Down the Line; City to City; Stealin‘ Time; Mattie’s Rag; Home and Dry; Island; Waiting for the Day

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2Comments

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  1. 1
    Gudrun

    Bei dem Namen hat man tatsächlich sofort Bakerstreet im Ohr. Trotz seiner vielseitigen Arbeiten. Schön, dass es in diesem Artikel gewürdigt wird.

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