Ranked: Midnight Oil

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Auf der steten Suche nach dem richtigen Sound, machten sich Midnight Oil, oder auch „die Oils“ wie sie von Fans genannt werden, einen festen Namen im Rockgeschäft. Anfangs noch eher im Bereich Post-Punk, später dann im New Wave und Hard Rock. Textlich wird oft politisch Stellung bezogen und Frontmann Peter Garrett hatte sogar Ambitionen aktiv in die Politik einzutreten. Mit Erfolg: zunächst als australischer Minister für Umwelt, Kulturerbe und Kunst, nach seiner Wiederwahl als Minister für schulische Bildung, Kinder und Jugend. Weder als Sänger noch als Politiker nahm Garrett ein Blatt vor den Mund und scheute sich nie die Dinge beim Namen zu nennen. Entsprechend sind viele Texte von Midnight Oil schwere Kost.

TOP 5 zum ersten Reinhören:
No Reaction (1979, Head Injuries)
US Forces (1982, 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1)
Best of Both Worlds (1984, Red Sails in the Sunset)
Beds Are Burning (1987, Diesel and Dust)
The Dead Heart (1987, Diesel and Dust)

Redneck Wonderland (1998) – 2,2/10: Reinfall!
Die Oils wollten weg von ihrem Post-Punk Stil und probierten sich seit den letzten Alben in verschiedenen Richtungen aus. Welcher Teufel sie geritten hat, dass man sich auf Redneck Wonderland dazu entschloss sich krampfhaft zeitgemäß dem Electric-Rock anzunähern, weiß wohl nur die Truppe selbst. Das Titelstück ist völlig aus der Zeit gefallen und zeigt die Verzweiflung der Gruppe. Noch schlimmer ist „Concrete“, das dem Hörer den letzten Nerv raubt und mit unpassenden Gitarrenspielereien ausgeschmückt wurde. Ganz solide ist der Alternative Rocker „Cemetery In My Mind“. Auch „Comfortable Place on the Couch“ kann sich sehen lassen: teils sehr schwer und der Chor wurde genial eingesetzt. Nach der kurzen Verschnaufpause zeigen sich aber wieder die Probleme des Albums. „Safety Chain Blues“ ist eine wilde Mixtur aus Klaviertönen, unsauberem Rock und verzerrtem Gesang, bei der nichts harmonieren will. Auch „Return to Sender“ leidet unter den nervigen Elektroklängen. Ein Ass hatte die Truppe aber definitiv noch im Ärmel. Bei „Blot“ gelang die Brücke zwischen modernen Sounds und dem harten Midnight Oil-Ursound perfekt. Der verzerrte Gesang wurde dieses Mal deutlich besser eingesetzt. Aber auch danach bessert sich das Album nicht. „The Great Gibber Plain“ ist das obligatorische Folkstück, „Seeing is Believing“ ein unpassendes 90s-Discolied und „What Goes On“ Electric-Rock ohne Besonderheiten. Bei „White Skin Black Heart“ trauten sich die Oils kaum aus der Deckung, was bei der durchaus gut gewählten Thematik sehr schade ist. Unterboten wird aber alles nochmal durch die kitschige Klavierballade „Drop on the Ocean“.
TOP: Blot

Bird Noises (EP, 1980) – 2,6/10: Reinfall!
Die 80er leiteten die Oils mit dieser billigen EP ein. Mittlerweile größtenteils in Vergessenheit geraten und das auch völlig zurecht. Die vier Stücke auf diesem Machwerk klingen billig und wie überschüssige Ware, die man auf einem regulären Album nicht haben wollte. „No Time for Games“ klingt poppig und geriet schlicht halbgar. „Knife’s Edge“ profitiert zwar von seinem Tempo, aber das Riff will einfach nicht zünden. Zumindest ganz nett ist das verträumte Instrumental „Wedding Cake Island“. Für Midnight Oil-Standards ist das aber zu wenig. Schlimm geriet auch „I’m the Cure“. Sehr halbherzig und mit schiefem Gesang, wirkt es wie hingerotzt.
TOP: –

Place without a Postcard (1981) – 4,1/10: Zwiespältig!
Nach dem starken Vorgänger Head Injuries ging es erstmal bergab. Zwar ist dieses Album beileibe kein totaler Reinfall, aber für ein Album einer so starken Band wie Midnight Oil wirkt es doch ziemlich enttäuschend. Die erste Single „Don’t Wanna Be The One“ ist auch durchaus gelungener, flotter New Wave, der Surf-Stimmung erzeugt. Doch schon „Brave Faces“ geriet halbgar und will nicht zünden. Die zweite Single „Armistice Day“ wurde zum Highlight des Albums. Sehr politisch und mit teils minimalistischem Instrumental wurde eine bedrohliche Stimmung sondergleichen erschaffen. Dann folgt ein vermurkster Song nach dem anderen. „Someone Else To Blame“ wirkt unfertig, während der seichte Post-Punk „Basement Flat“ zu krampfhaft dem Mainstream angepasst wurde. Zumindest solide ist allerdings „Written In The Heart“, das vor allem von seiner großartigen Gitarrenarbeit lebt. „Burnie“ geriet dann wieder zahnlos und ziemlich skizzenhaft. Der lockere Post-Punk „Quinella Holiday“ ist ganz nett, aber nicht wirklich herausragend. Interessanter wird es bei „Loves On Sale“, das emotional und ruhig wurde, teils sogar verzweifelt klingt. Die Mixtur aus eingängigen Melodien und einer energetischen Spielweise gelang bei „If Ned Kelly Was King“ (gewidmet dem australischen Verbrecher und Flüchtigen) absolut perfekt. Einen soliden Abschluss bietet „Lucky Country“, das mit einer guten Härte versehen wurde.
TOP: Don’t Wanna Be The One; Armistice Day; If Ned Kelly Was King

Midnight Oil (1978) – 4,5/10: Zwiespätig!
Auf dem Debut zeigten sich die Oils noch recht zurückhaltend und unsicher. Statt mit der nötigen Power, singt Garrett noch eher bemüht klar und versucht oftmals hohe Töne zu halten. Es sei der Truppe verziehen, schließlich waren sie ja noch in ihrer Orientierungsphase. Wirklich stark ist allerdings der Opener „Powderworks“, der schon dicht am Hard Rock ist und ein wunderbar prägnantes Gitarrenriff hat. Bei „Head Over Heels“ wird sich allerdings eher gequält und der bemüht hohe Gesang viel sehr schwach aus. „Dust“ ist ohne Frage lässig, aber insgesamt zu zahnlos. Durchaus respektabel ist dann wieder „Used And Abused“, bei dem Rock und Pop eingängig kombiniert werden. Ebenfalls interessant ist „Surfing With A Spoon“, einem ruhigen Stück mit 1A Orgelklängen. Im Verlauf gibt es einen gelungenen Umschwung in Richtung Poprock. Die Single „Run by Night“ hat einen eingängigen Refrain, ist aber insgesamt eher Durchschnitt. Zum Schluss wird es nochmal experimentell: Das über 8,5minütige „Nothing Lost – Nothing Gained“ geht in Richtung Progressive Rock und hat lange, durchaus respektable Instrumentalparts. Warum nun ausgerechnet hier auf den Mainstream zugeschnittene Pop-Passagen beigesteuert wurden, ist allerdings ein Rätsel…
TOP: Powderworks; Surfing With A Spoon

Earth And Sun And Moon (1993) – 5,2/10: Gelungen!
Nachdem die Oils seit einigen Alben fast unfehlbar wirkten, gab es mit dem Blue Sky Mining-Nachfolger einen deutlichen Qualitätssprung nach unten. Sicher gibt es auch hier einige Perlen zu entdecken, aber über lange Strecken bleibt das Album doch reichlich blass. „Feeding Frenzy“ gehört zu den besseren Stücken, sehr geschmeidig und mir einer progressiven Orgel ausgestattet, gelang der Start dieses Albums. Danach zeigt sich aber auch schon das Problem des Albums: „My Country“ ist unspektakulärer Poprock, „Renaissance Man“ ist zwar spielfreudig, bleibt aber ebenso blass. Das Titelstück ist ebenfalls poppig und hinter dem Gesang steckt erstaunlich wenig Power. Die Hauptsingle „Truganini“ wurde zum größten Skandal der Band: Das Stück wurde den tasmanischen Aborigines gewidmet, die sich jedoch missverstanden fühlten und zum Boykott aufriefen. Gut gemeint, aber nicht gut aufgenommen. Musikalisch steht die Single jedoch den großen Erfolgen in nichts nach, die Stimmung ist angespannt und der Gesang ebenso kühl wie kraftvoll. „Bushfire“ ist teils mystisch, teils folkig. Leider fehlen ein paar Highlights in dem Stück. Mit „Drums of Heaven“ gibt es nochmal seichten Midtempo-Rock. Nicht außergewöhnlich, aber solide. Selbiges gilt für das bemüht radiotaugliche „Outbreak Of Love“. Zum Ende hin bessert sich die Qualität des Albums aber doch nochmal: „In The Valley“ ist ein folkiger Poprocker mit einem eingängigen Refrain, der zum Mitsingen einlädt. „Tell Me The Truth“ hingegen ist der eindringliche Hard Rock, den man sich von den Oils eigentlich gewünscht hätte (Geheimtipp!). Das basslastige „Now Or Neverland“ profitiert zwar von den folkigen Einflüssen, wirkt aber insgesamt zu skizzenhaft.
TOP: Feeding Frenzy; Truganini; In The Valley; Tell Me The Truth

Capricornia (2002) – 6,4/10: Gelungen!
Für Capricornia hieß es zurück zu den Wurzeln. Keine Experimente, dafür aber ein sehr bodenständiges Rockalbum. Zwar ist auf diese Art kein Meisterwerk entstanden, aber ernsthafte Schwachpunkte konnten geschickt vermieden werden. Der Opener „Golden Age“ ist ein unbeschwerter Countryrocker und wurde als erste Single ins Rennen geschickt. „Too Much Sunshine“ ist zeitgemäßer Poprock, der ganz solide klingt. Beim Titelstück wurde der Poprock noch mir Folk-Elementen ausgestattet. Okay, aber deutlich besser ist der eindringliche Folkrocker „Luritja Way“. Auch „Tone Poem“ kann punkten: gewohnt basslastig und der Gesang mal wieder on point. Ungewohnt, aber eine willkommene Abwechslung ist „A Crocodile Cries“. Instrumentale Klavierballaden erwartet man von den Oils wohl nicht, erst recht keine so traurig anmutenden. „Mosquito March“ punktet durch sein Tempo, behält aber eine sehr ernste Stimmung. Selbiges gilt auch für das energetische „Been Away Too Long“. Für „Under The Overpass“ wurde mal wieder auf Hammondorgel gesetzt. Nett, aber nicht essenziell. Ein letztes großes Highlight ist das verträumte „World That I See“, das seinem Titel gerecht einen starken Entdeckerdrang vermittelt. Abgerundet wird das Album zum Schluss mit dem ruhigen und leicht proggigen „Poets And Slaves“ in dem die Melodie von „A Crocodile Cries“ nochmal zum Einsatz kommt. Nach diesem Album war erstmal Schluss mit Midnight Oil, da Garrett sich auf seine Karriere in der Politik konzentrieren wollte.
TOP: Golden Age; Luritja Way; Tone Poem; Mosquito March; World That I See

Breathe (1996) – 6,8/10: Gelungen!
Keine Meisterleistung, aber im direkten Vergleich zum Vorgänger ein deutlicher Schritt nach vorne. Midnight Oil eigneten sich einen deutlich kühleren Sound an und setzten vermehrt auf Orgel-Klänge. Der Opener „Underwater“ zeigt den Wandel sehr deutlich: Das Instrumental geriet lässig, die Vocals sehr kühl. Gleichermaßen lässig ist „Surf’s Up“, das zusätzlich mit einem starken Surfer-Spirit versehen wurde. „Common Ground“ setzt auch auf den neuen Sound, kommt aber nicht so ganz aus der Deckung raus. Bei „Time To Heal“ setzten die Oils auf altbewehrten Folk, der gewohnt nachdenklich und tiefgründig wurde. Ungewohnt schwer wurde „Sins Of Omission“, das Härte durch das langsamere Tempo aufbaut. Ruhiger Gesang wurde sehr passend auf dem lockeren Folk „One Too Many Times“ eingesetzt, bevor es mit dem kühlen „Star Of Hope“ gesanglich ein wenig in die Brüche geht. Ein interessantes Experiment ist „In The Rain“, das synthetisch, wenn auch teils minimalistisch ausfiel. Ungewohnt, aber eine willkommene Abwechslung! „Bring On The Change“ ist zwar tendenziell härterer Poprock, jedoch wäre es schön gewesen, wenn Midnight Oil hier noch etwas stärker in die Saiten gehauen hätten. Ein solider Softrock ist „Home“ das von Garrett und der US-amerikanischen Singer-Songwriterin Emmylou Harris im Duett gesungen wurde. Bei „E-Beat“ geht es nochmal steil bergauf. Folkig, aber mit experimentell eingesetzten elektronischen Klängen versehen, eine gewagte, wie auch geniale Mischung! Auch „Barest Degree“ kann nochmal mit dem neuen kühlen Soundgewand punkten und setzt auf seichte Orgel-Einsätze. Zum Abschluss gibt es mit „Gravelrash“ noch ein nettes, von E-Gitarre und Orgel getragenes Instrumental.

Resist (2022) – 6,9/10: Gelungen!
Resist markiert das Ende einer Ära. Midnight Oil gingen auf ihre letzte große Tournee und Peter Garrett will sich stärker auf seine Solo-Karriere fokussieren. Zukünftige Alben sind zwar laut der Band nicht ausgeschlossen, aber konkrete Planung existieren zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht. Melancholie ist bei den Australiern jedoch keineswegs angesagt. Schon bei „Rising Seas“ präsentiert sich das Quintett als energetische Protestband, dieses mal zum Thema Klimaschutz. Auf „The Barka-Darling River“ klingen die Oils hingegen so punkig, wie seit ihrer Anfangsphase nicht mehr. Mit „Tarkine“ geht es mit ernstem Folkrock weiter, bevor es mit „At the Time of Writing“ wieder zum Protestrock mit Ökobotschaft kommt. Bei „Nobody’s Cild“ handelt es sich um Hard Rock mit Synthesizer-Einsätzen und passablem Riff. „Reef“ ist eine wunderschöne Liebeserklärung an die australischen Riffe, die zutiefst berührt. Auch sehr gelungen ist die kühle Gerechtigkeits-Hymne „We Resist“, in der Themen wie Black Lifes Matter, häusliche Gewalt und Krieg behandelt werden. Kühl und basslastig ist „Lost At Sea“. Solide, aber leider nicht mehr. Auf „Undercover“ wird Stellung zu aktuellen politischen Ereignissen genommen (für Midnight Oil sehr naheliegend). Auf „We Are Not Afraid“ wird die Band wieder langsamer und sentimentaler, leider aber auch etwas zahnlos. Zum Schluss punktet die Band nochmal mit „Last Frontier“. Im Intro noch avantgardistisch, dann eher poppig. Ein starkes Werk, die Oils haben über die Jahre an ihrer Energie nichts eingebüßt!
TOP: Rising Seas; The Barka-Darling River; At the Time of Writing; Reef; We Resist; Undercover

The Makarrata Project (2020) – 7,0/10: Gelungen!
18 Jahre nach dem letzten Studiowerk meldeten sich Midnight Oil endlich mit einem neuen Werk zurück. Anlass war eine Protest-Bewegung für die Rechte der Aborigines, die musikalisch unterstützt werden sollte. Mit sieben Liedern verhältnismäßig kurz und mit einer ordentlichen Schippe an Gastmusikern ausgestattet, ist diese Scheibe eine absolut einzigartige für die Oils. Der Opener „First Nation“ ist bereits sehr eindringlich und Garretts Gesang ist so kraftvoll wie eh und jeh. Die Rap-Beiträge von Tasman Keith sind jedoch Geschmackssache. Der lockere Hard Rock von „Gadigal Land“ wurde mit einem passenderen Gastbeitrag augestattet: Das Duett mit Dan Sultan funktioniert perfekt. „Change the Date“ setzt auf ruhigere Akzente, bleibt ruhig und nachdenklich. Untermalt wird das ganze von einem seichten Chor. Von minimalistischem Instrumental lebt „Terror Australia“. Durch den teils verzweifelten Gesang entsteht eine einzigartige Stimmung. Auch das Folkstück „Desert Man, Desert Woman“ vermittelt einen Trauer-Tiefgang. Letztes Highlight ist das energetische Folkstück „Wind In My Head“, bei dem ein ernster Chor für zusätzlichen Tiefgang sorgt. Das letzte Stück, „Uluru Statement from the Heart“ besteht aus Spoken Word-Beiträgen verschiedener Aktivisten, die instrumental seicht untermalt werden.
TOP: Gadigal Land; Terror Australia; Desert Man, Desert Woman; Wind In My Head

Bei der Frage nach dem besten Best Of, wäre wohl das 1997 erschienene „20,000 Watts R.S.L.“ (Bester Stoff) die meistgenannte Antwort der Fans und das zurecht. Wer die Oil bis zu diesem Punkt als One-Hit-Wonder verortet hatte, wird hier definitiv eines Besseren belehrt. 2017 erschienen zwei Sampler der Oils. Zum einen erschien „Lasseters Gold“ (Gelungen!), auf dem unveröffentlichte Demos enthalten sind. Das lief nach dem Hit and Miss Prinzip ab, neben einigen Highlights wie „Can’t See Reason“ sind auch reichlich Gurken enthalten. Verzichtbar ist hingegen „Chiko Locallo“ (Reinfall!). Vieles wirkt halbgar und wirkliche Highlights sind nicht vorhanden. Es ist ersichtlich, warum vieles nur auf der B-Seite landete.

Species Deceases (EP, 1985) – 7,7/10: Bester Stoff!
Für das Nachfolgewerk Diesel and Dust war diese EP ein wichtiger Wegbereiter. Der Stil ist bereits stark vorhanden, besonders beim Opener „Progress“: Eingängig, aber mit der nötigen Härte, der Bass dabei stark im Vordergrund. „Hercules“ zieht das Tempo noch etwas an und hat einen wunderbaren Chor-Refrain. Etwas missglückt ist leider „Blossom and Blood“, das ebenfalls flott, aber die Melodie zu unausgegoren ist. Zum Schluss gibt es mit „Pictures“ noch Protest-Rock mit Öko-Botschaft. Die Wut der Band über die Umweltzerstörung ist deutlich spürbar.
TOP: Progress; Hercules; Pictures

Red Sails in the Sunset (1984) – 8,4/10: Bester Stoff!
Das Plattencover lässt er erahnen: Es geht auf politischen Pfaden weiter. Ganz so düster wie das Cover suggeriert (Sydney nach einem Atombombeneinschlag) ist die Musik dann aber doch nicht. Die Band hat nichts von ihrer Energie eingebüßt und legte erneut ein starkes Album vor. „When The Generals Talk“ lebt vom harten Kontrast zwischen harten Bass und Drums und dem seichten Gesang von Schlagzeuger Rob Hirst. Weiter geht es mit Poppigem Midtempo-Hard Rock auf „Best of Both Worlds“. Ebenfalls sehr gelungen ist der Folkrock „Sleep“, der einen wunderbar eindringlichen Gesang hat. Auch „Minutes to Midnight“ setzt auf folkige Akzente, dabei allerdings auf härtere Drumsounds. Eine beachtlich bedrohlich bis angespannte Stimmung wird auf „Jimmy Sharman’s Boxers“ erzeugt, das zunächst ruhig startet und sich dann zu purem Post-Punk entwickelt. Die A-Seite wird mit dem kurzen Bläser-Instrumental „Bakerman“ schön abgeschlossen, bevor es zur etwas missglückten B-Seite geht. „Who Can Stand in the Way“ ist von vielen Soundexperimenten gespickt, setzt dann jedoch auf locker-lässige Klänge. „Kosciusko“ (Ebenfalls von Rob Hirst gesungen) versucht sich erneut mit poppigen Hard Rock, jedoch nicht ganz mit dem erwünschten Erfolg. Es geht fröhlich mit „Helps Me Helps You“ weiter bei dem ungewohnte, jedoch perfekt platzierte Didgeridoos zum Einsatz kommen. Das langsame „Harrisburg“ ist im Verhältnis dann leider zu zahnlos. Auch „Bells And Horns In The Back Of Beyond“ zieht den Schnitt runter: Der Umschwung von psychedelischen auf harte Töne passt nicht. Dafür gibt es dann einen sauberen Abschluss mit „Shipyards Of New Zealand“. Ein sehr nachdenkliches Stück, das kraftvoll daherkommt, dabei aber wunderbar emotional bleibt.
Im Gegensatz zum Vorgänger waren die Schwächen leider hier etwas präsenter, jedoch bleibt es trotz allem ein starkes Werk.
TOP: When The Generals Talk; Best Of Both Worlds; Sleep; Minutes To Midnight; Jimmy Sharman’s Boxers; Helps Me Helps You; Shipyards Of New Zealand

Head Injuries (1979) – 8,6/10: Bester Stoff!
Was für ein Quantensprung im direkten Vergleich zum Vorgänger! Nachdem auf dem Vorgänger noch unklar war in welche Richtung die Reise gehen soll, ging es nun in Richtung Post-Punk und New Wave mit der Wucht des Hard Rocks. Auf dem energetischen Rocker „Cold Cold Change“ ist der Punk-Einfluss besonders stark hörbar. Das flotte „Section 5 (Bus To Bondi)“ hingegen hat eher den Rhythmus eines Power Metal-Songs. Bei „Naked Flame“ setzte die Band auf eingängige Pop-Melodien, ließ jedoch dabei die nötige Härte nicht aus. Die Single „Back on the Borderline“ ist Punkrock pur, dabei aber angenehm eingängig. Entgegen dem Songtitel ist „Koala Sprint“ verhältnismäßig ruhiger und geht eher in Richtung New Wave. Der moderne Rock ‚n‘ Roller „No Reaction“ lässt dann aber wieder kein Auge trocken und reißt den Hörer mit. Sehr stark ist der Fokus auf den E-Bass auf „Stand In Line“. Einziges Manko des Albums: „Profiteers“ ist leider ziemlich unspektakulär, aber glücklicherweise der einzige wirkliche Schwachpunkt des Albums. Zum Abschluss gibt es nochmal flotten New Wave mit „Is It Now?“, bei dem vor allem das gezupfte Riff heraussticht.
TOP: Cold Cold Change; Section 5 (Bus To Bondi); Back on the Borderline; No Reaction; Stand In Line; Is It Now?

Blue Sky Mining (1990) – 9,0/10: Meisterwerk!
Nach dem Riesenerfolg vom Vorgänger Diesel and Dust gelang es den Oils erneut einen internationalen Erfolg einzufahren. Im Mittelpunkt steht der Titeltrack über die gesundheitlichen Auswirkungen der Asbestverseuchungen in australischen Minen. Das Stück wurde ein energetischer, wenn gleich sentimentaler Countryrock. Bei „Stars of Warburton“ blieb der Country-Stil erhalten, jedoch fiel es deutlich softer aus. Ebenfalls ein Highlight! „Bedlam Bridge“ schlägt ganz andere Wege ein und verbreitet eine nachdenkliche Atmosphäre mit düsterem Unterton. Das Kriegsgefallenen gewidmete „Forgotten Years“ bedient sich gleichermaßen bei Härte und Emotionen und wird damit seinem Thema mehr als gerecht. Ein Irrweg ist leider „Mountains of Burma“, das vor Kraft kaum laufen kann und am Ende zu unspektakulär bleibt. „King Of The Mountain“ hat ein Instrumental, das an R.E.M. erinnert, während Garretts Gesang den gewohnten Pep behält. Bei „River Runs Red“ wird Trauer spürbar, wird jedoch nie kitschig. So beklemmend klangen die Oils selten. Mehr Wiedererkennungswert hätte „Shakers and Movers“ zwar gutgetan, aber insgesamt entstand solider Poprock mit leichten Folkrock-Elementen. Weiter geht es mit sentimentalem Folk auf „One Country“. Hier kommt Garretts Stimme sehr angenehm zur Ruhe. Zugegeben: der Schlusstrack „Antarctica“ ist teils etwas zahnlos, aber mit etwas Augenzudrücken kann man behaupten, dass die kraftvollen Parts überwiegen, nicht zuletzt wegen der starken Geigen. Zu Unrecht ging dieses Album im Laufe der Zeit etwas unter, erneutes Anhören ist höchst empfohlen!
TOP: Blue Sky Mine; Stars of Warburton; Bedlam Bridge; Forgotten Years; King Of The Mountain; River Runs Red; One Country; Antarctica

10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 (1982) – 9,5/10: Meisterwerk!
Nachdem der Start in die 80er nicht so ganz gelingen wollte, war mit diesem Album endlich ein Meilenstein gesetzt. Der internationale Erfolg beginnt mit diesem Album, das zum ersten Mal die von Midnight Oil gewohnte politische Note beinhaltet. Beim Sound wurde die Band experimenteller, was dem Album noch zusätzlich zugutekam. Der Opener „Outside World“ beispielsweise klingt leicht futuristisch und setzt auf den Kontrast zwischen präsenten Drums und seichten Synthesizern. „Only The Strong“ setzt hingegen auf härtere Akzente, vor allem bei Garretts Gesang. „Short Memory“ ist besonders politisch und kritisiert Missstände auf der ganzen Welt. Musikalisch dabei eindringlich, aber rockig. Die Single „Read About It“ ist gelungener New Wave mit eingängigem Rhythmus. Ein gutes Beispiel für die experimentelle Ader der Band ist „Scream In Blue“, bei dem sich harte und balladeske Parts abwechseln. „US Forces“ startet erst folkig, wird dann aber poppiger. Ebenfalls ein gelungener Mix aus eingängiger Musik und Protest an der damaligen Politik. Post-Punk im Stil vom Head Injuries-Album gibt es auf „Power and the Passion“, das ein erstklassiges Drum-Solo zu bieten hat. Bei „Maralinga“ liegt der Fokus auf dem Gesang, während das Instrumental in den Hintergrund gestellt wird. Gerade daher wirken die lauten Drums etwas aufdringlich. „Tin Legs And Tin Mines“ startet zunächst als berührende Klavierballade und wechselt dann durch die Zugabe von Synthies zu einem Rockstück. Ein sehr gelungener Wechsel! Abgeschlossen wird das Album durch das schnelle „Somebody’s Trying To Tell Me Something“, das zwar definitiv nicht schlecht ist, aber nicht 100%ig zünden will. Aber seien wir ehrlich: Die leichten Schwächen am Ende des Albums schmälern die Qualität dieses Albums keinen Deut!
TOP: Outside World; Only The Strong; Short Memory; Read About It; Scream In Blue; US Forces; Power and the Passion; Tin Legs And Tin Mines

Diesel and Dust (1987) – 9,9/10: Meisterwerk!
Der künstlerische Höhepunkt der Formation wurde mit diesem Album markiert. Die australische Truppe wurde zum internationalen Topact und der Name in aller Munde. Nicht zuletzt liegt das natürlich am Riesenhit „Beds Are Burning“. Auch wenn das Prinzip von der Band schon oft angewendet wurde, funktioniert die starke politische Message (in diesem Fall der Umgang mit den Aborigines) in Kombination mit hartem Poprock hier besonders gut. Vor allem die prägnante Basslinie sticht dabei hervor. „Put Down That Weapon“ bleibt in dieser Tradition, bekam jedoch ein New Wave-Gewand. Poppiger, aber ebenfalls stark fiel „Dreamworld“ aus, bei dem Garretts Gesang sehr eindringlich ausfiel. Von der seichten Seite zeigt sich das Quintett auf der berührenden Ballade „Arctic World“, bei dem in genialer Weise Klavier zum Einsatz kam. „Warakurna“ ist wieder basslastiger, aber ebenfalls ruhiger. Der Chorgesang kam hier perfekt zum Einsatz! Eines der besten Stücke zum Thema Pazifismus liefert die Band mit „The Dead Heart“, das ebenfalls zu einer internationalen Hitsingle wurde. „Whoah“ ist dicht an der Ballade und profitiert von den Orgel-Einlagen. Eines der unterschätzen Lieder der Band. Auf „Bullroarer“ wird nochmal gekonnt die Brücke zwischen Emotionalität und harten Tönen geschlagen und erneut kommt der Chor zum Einsatz. Das kühle „Sell My Soul“ lässt zum Ende nochmal eine angespannte Stimmung aufkommen. Abgerundet wird dieses Meisterwerk mit dem eingängig-poppigen „Sometimes“. Statt sich dem Mainstream anzunähern, näherte sich der Mainstream diesem Album an. Der Grund, warum dieses Album zum Meilenstein wurde.
TOP: Beds Are Burning; Put That Weapon Down; Dreamworld; Arctic World; Warakurna; The Dead Heart; Whoah; Sell My Soul; Sometimes

Midnight Oil Live
Midnight Oil waren seit jeher eine fleißige Liveband und veröffentlichten im Laufe der Zeit sieben Livemitschnitte veröffentlicht. Besonders hervor sticht das hardrockige „Scream In Blue: Live“ (Meisterwerk!) von 1992, bei dem die Band sehr spielfreudig auftritt. Für das 2000 erschienene „The Real Thing“ (Bester Stoff!) wurden vier gelungene Studiotracks beigesteuert. Insgesamt weniger hart, aber die Akustikvarianten schaffen viel Emotionalität. Interessant ist „Live At The Wireless, 1978 – Studio 221“ (Gelungen!) durch seinen Fokus auf Orgelklänge und seiner Nähe zum Post-Punk. Auch 2017 erschien das eher enttäuschende „Punter Barrier BPM“ (Zwiespältig!), bei dem die Stücke sehr gleich klingen und die Oils schlicht nicht in Topform sind. Durch den schwachen Ton und die teils fragwürdige Songauswahl bleibt leider auch „Armistice Day: Live at the Domain, Sydney“ (Zwiespältig!) eher blass. 2019 hieß es aufatmen und mit dem lässig-kraftvollen „Breathe Tour ‚97“ (Gelungen!) wurde endlich wieder ein brauchbarer Mitschnitt geliefert. Besser noch: Das 2022 erschienene „Live at the Old Lion, Adelaide 1982“ (Bester Stoff!), das von hart bis locker breit gefächert ist und durch Garretts besonders starken Gesang besticht.

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