Lilly M @Wikimedia (CC BY-SA 3.0)
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Leider sind bis heute eher wenig Rockbands aus Portugal international bekannt geworden, eine nennenswerte Ausnahme bilden an der Stelle Moonspell. Die Band ging Anfang der 90er aus der Black Metal Band Morbid God hervor, die zuvor lediglich Demos veröffentlichte. Die Band um den charismatischen Sänger Fernando Ribeiro bestritt den Weg Richtung Gothic Rock und blieb dem auch bis heute Treu. Dennoch zeigte die Band stehts Bereitschaft sich stilistisch alle Wege offen zu halten: Mal ging es Richtung Extreme Metal, mal wurde es massentauglicher und mit 1755 wurde sogar ein Konzeptalbum auf die Beine gestellt. Das nicht alle Experimente immer klappten, liegt dabei auf der Hand. Aber gerade durch diese Experimentierfreude haben alle Alben ihren ganz eigenen Charakter.
TOP 5 zum ersten Reinhören:
Vampiria (1995, Wolfheart)
Opium (1996, Irreligious)
Awake (1996, Irreligious)
Mute (1998, Sin/Pecado)
Luna (2006, Memorial)
The Butterfly Effect (1999) – 1,4/10: Reinfall!
Ende der 90er wollten Moonspell es wissen und lieferten ihr experimentellstes Werk ab. The Butterfly Effect ist ein harter Genrewechsel vom Gothic zum Industrial Metal und dem Drang zeitgemäß zu klingen. Der Opener „Soulsick“ stampft auch wunderbar und zielsicher und auch Stücke wie „Soulitary Vice“ und „Adaptables“ gerieten solide, doch abseits davon geriet das Album zum Fiasko. Die Gothic-Fans hassten es, aufgrund des Stilwechsels und auch die Band selbst scheint sich auf dem neuen Terrain nicht wirklich wohlzufühlen. Die finstere Atmosphäre ist passé, stattdessen wird oft mit brachialer Härte kaschiert („Lustmord“, „Angelizer“). Als wäre das nicht schon schlimm genug, versucht man auf „Can’t Bee“ (sehr lustiges Wortspiel) auch noch auf Teufel komm raus sich dem Alternative Rock anzunähern. Dazu noch sehr viele richtungslose und damit belanglose Stücke und zum krönenden Abschluss mit „K“ auch ein völlig unpassendes Instrumental. Kaum etwas will auf diesem Werk funktionieren – der Grund warum die Band seitdem von solchen Experimenten absah.
TOP: Soulsick
Hermitage (2021) – 1,5/10: Reinfall!
Ein Blick auf das Cover könnte ein zweites 1755 erahnen lassen, doch Hermitage fiel stattdessen sehr seicht aus. Erneut versuchte man sich dem Mainstream anzunähern und verschreckte damit die Fans, doch dieses Mal so richtig: Bei kaum einem Lied traute sich die Band wirklich Härte einzusetzen und versuchte es stattdessen mit Sentimentalität. So wurde „The Greater Good“ zu einem missglückten Versuch ein Stück zwischen politischem Protestlied und Hoffnungsschimmer. „Common Prayers“ und „All Or Nothing“ sind schlicht ohne jeden Biss. Auf dem Titellied und „Entitlement“ ist der Wille spürbar, aber beide Stücke klingen viel zu bemüht. Umso ärgerlicher ist es natürlich dass es auf „Apophthegmata“ endlich mal wieder die alte Härte gibt, und diese dann mit Synthesizern vollgekleistert wird. Positiv zu erwähnen wären zum einen „The Hermit Saints“, was zwar nicht die Härte des Vorgängers hat, aber dennoch mitreißt und auch das düster-doomige „Without Rule“. Leider zu wenig. Fans von klassischen Instrumentals werden noch mit „Solitarian“ und dem sonatigen „City Quitter“ glücklich gemacht. Stimmungsvoll, aber den Begriff Metal hat dieses Album kaum verdient.
TOP: The Hermit Saints; Without Rule
Alpha Noir (2012) – 2,2/10: Reinfall!
2012 erschien mit Alpha Noir und Omega White ein Doppelwerk, bei dem man den stilistischen Vorbildern Respekt zollen wollte. Auf Alpha Noir widmete die Band sich dem frühen Thrash Metal und das fiel leider recht bescheiden aus. Der Großteil wird billig („Axis Mundi“, „Love Is Blasphemy“) bis unsauber („Versus“). Bei „Opera Carne“ ist es sogar noch schlimmer, denn hier klingt die Band eher wie eine Kopie von King Diamond als sie selbst – gruselig! Wirklich mitreißen kann in erster Linie noch „Lickanthrope“, abseits davon punktet das Titellied mit seiner Mischung aus Thrash und Synthesizern.
Abgerundet wird das Ganze durch das Instrumental „Sine Missione“ – das ist zwar für sich gelungen, passt aber gar nicht auf das Album. Moonspell wollten sich vor dem Genre verneigen und klangen stattdessen wie ein Abklatsch – Zu schade!
TOP: Lickanthrope; Alpha Noir
Extinct (2015) – 3,5/10: Zwiespältig!
Extinct ist ein sehr schwieriges Album, denn Moonspell verfallen hier dem Drang zeitgemäßen Dark Rock à la Lord of the Lost zu machen, anstatt ihren eigenen Weg weiterzuebnen. Dabei sind allerdings zwei große Hits zustande gekommen: Zum einen das harte Titelstück mit dem wunderbar hymnischen Refrain und dann noch das balladeske „Domina“, das trotz seines Stils mit einem wilden Solo ausgestattet wurde. Abseits davon fehlt es dann aber oft am nötigen Biss: „Breathe“ ist viel zu stereotypisch, „Maligna“ startet derbe und verliert dann abrupt an Fahrt und „Medusalem“ wurde in Synthesizern komplett ertränkt. Auf dem Tiefpunkt „The Last of Us“ verfiel die Band dann endgültig dem Kitsch. Und was an mitreißenden Momenten bis dahin gefehlt hat, wird auf dem Schlusstrack „La Baphomette“ dann in maßloser Theatralik überkompensiert. Zur Ehrenrettung: mit „Funeral Bloom“ und „A Dying Breed“ ist noch respektabler Blackended Death Metal enthalten. Ein falscher Weg, doch definitiv kein langweiliges Album. Der Drang ein gutes Album abliefern zu wollen ist spürbar, aber das reicht leider nicht.
TOP: Extinct; Domina
Memorial (2006) – 4,6/10: Zwiespältig!
Vorgänger The Antidote war bereits ein Schritt in die härtere Richtung, aber mit In Memoriam trauten sich Moonspell zum ersten Mal als Extreme Metal Band aufzutreten. Die neuen Anleihen bei Behemoth und co vertragen sich allerdings nur bedingt mit dem Gothic-Rahmen. Umso erfreulicher dass es mit „Luna“ noch einen stimmungsvollen Darkrock-Hit wie aus den alten Tagen der Band gibt. Von den brachialen Stücken können vor allem „Finisterra“ und die doch sehr atmosphärischen „Memento Mori und „Sanguine“ überzeugen. Dazwischen gibt es allerdings sehr viel Einheitsbrei aus eher unpassendem Extreme Metal – unüberhörbar mit Anleihen am Black Metal. Die Stimmung, die Moonspell noch vorher verbreitete, kommt hier daher kaum zur Geltung. Besonders ärgerlich ist da, dass die harten Growls auf „Once It Was Ours!“ die eigentlich spannenden Klänge überlagern. Die vier Instrumentals, die mal dichter am Folk und mal an der Klassik sind, sind dafür aber ganz nett. Ein typisches Album, um sich die Rosinen rauszupicken.
TOP: Finisterra; Memento Mori; Sanguine; Luna
Night Eternal (2008) – 5,8/10: Gelungen!
Nach dem sehr harten Vorgänger ging die Reise wieder in Richtung der ersten Releases. Zwar gibt es immer noch viele Anleihen beim Extreme Metal, aber der Kern des Albums besteht wieder aus schaurigen Gothic-Stücken. Wie trotz oder gerade mit harten und schnellen Rhythmen eine mystische Atmosphäre entstehen kann, zeigen die ersten beiden Tracks „At Tragic Heights“ und „Night Eternal“ sehr eindrucksvoll. Auch das Duett mit Anneke van Giersbergen „Scorpion Flower“ fiel sehr erfreulich aus: Statt Härte wurde hier auf Melancholie und eine wunderbare Tristesse gesetzt. Ebenso auf „Dreamless (Lucifer and Lillith)“, das sehr traurig anmutet. Dazwischen gibt es passable Durchschnittsware wie „Here Is the Twilight“ oder „First Light“, aber auch viel zu brachiale Stücke wie „Moon in Mercury“ oder „Shadow Sun“, bei dem die ganze Mystik zugrunde geht. Nicht ganz rund, aber dennoch ein anhörbares Album.
TOP: At Tragic Heights; Night Eternal; Scorpion Flower; Dreamless
The Antidote (2003) – 6,5/10: Gelungen!
The Antidote kann als Statement verstanden werden. Moonspell wollten zu den härteren Bands gehören und ließen ihr sechstes Alben daher deutlich aggressiver ausfallen. Auch wenn das Album keine großen neuen kreativen Akzente setzt, so kann man The Antidote doch als gelungenes Werk betrachten. Wirklich neu war vor allem die Idee das Album mit einem Buch von José Luís Peixoto zu verkaufen, der die Geschichte des Albums noch erweiterte. Das Album startet brachial mit „In and Above Men“, während „From Lowering Skies“ erstmal Stimmung aufbaut, bevor es ins Harte geht. Besonders gelang das auf den beiden Longtracks „Capricorn at Her Feet“ und „As We Eternally Sleep On It“ – zwei Stücke die sich die nötige Zeit nehmen um Spannung aufzubauen und dann die Hörerschaft in akustischen Bombast einzuhüllen. Neben einigen soliden Stücken können auch die ruhigen Momente, wie das stimmungsvolle Titellied oder das bedrohliche „The Southern Deathstyle“, punkten. Nur bei „Lunar Still“ verlor sich die Band im Aufbau. Das härtere Gewand harmoniert gut mit den Gothic-Klängen und gibt dem Album einen ganz eigenen Charakter.
TOP: From Lowering Skies; The Southern Deathstyle; Antidote; Capricorn at Her Feet; As We Eternally Sleep On It
Darkness and Hope (2001) – 7,6/10: Bester Stoff!
Die Genre-Experimente auf The Butterfly Effect waren ein Fehler – dahinter können wir ein Häkchen machen. Auf Darkness and Hope besann sich die Band wieder auf ihre Wurzeln. Keine Experimente, dafür genau das, was die Fans sich erhofften. Die Devise hieß nun: Back to the Roots. Gothic Metal mal mit düsterer Eleganz und mal mit absoluter Erbarmungslosigkeit. Und das ganz ohne erwähnenswerte Schwächen, auch wenn es im Mittelteil ein wenig an Höhepunkten mangelt. Sei’s drum: Das Titellied und „Nocturna“ wurden zu großen Hits, und das ohne die krampfhafte Härte des Vorgängers. Vielmehr unterstützen die Growls die dunkle Atmosphäre, ähnlich wie auch auf „Made of Storm“. Eher ein Geheimtipp, aber damit nicht minder hörenswert ist auch „Rapaces“, bei dem sich Metal-Härte und bedrohliches Flüstern umgarnen. Übertrumpft wird das nur noch von dem sehr kühlen Schlusstrack „Than the Serpents In My Hands“. Wer hingegen nach musikalischen Gewalttagen sucht, wird mit „Firewalking“ und „Devilred“ bestens bedient. Endlich wurde die Härte auch wieder mit qualitativem Songwriting versehen! Dementsprechend ist das Album auch ein ideales Einsteigerwerk!
TOP: Darkness and Hope; Firewalking; Nocturna; Rapaces; Made of Storm; Than the Serpents In My Hands
Under Satanæ (2007) – 7,8/10: Bester Stoff!
Kein vollwertiges Album, sondern Neuaufnahmen von Stücken von der Debut-EP und den Demoalben. Wer die Anfangswerke kennt, findet hier zwar keine Überraschungen, aber dennoch ist es eine gute Idee gewesen die etwas untergegangenen Stücke in etwas polierter Form nochmal neu zu veröffentlichen. Denn es sind wirklich stimmige Lieder dabei und wie das Cover bereits andeutet, geht es hier deutlich in den Bereich Black Metal. Dazu kommen allerdings auch traditionelle und folkige Klänge, die mit dem tiefen Growling von Ribeiro verziert wurden. Ein spannendes Werk, sowohl für Fans der ersten Stunde, wie auch der späteren Werke.
Under the Moonspell (EP, 1994) – 8,1/10: Bester Stoff!
Eine EP, die schwierig zu bewerten ist. Wer auf Black Metal à la Mayhem oder Darkthrone steht, wird mit dieser EP bestens bedient, auch wenn es hier mitunter klassischer zur Sache geht. So ist das Intro „Allah Akbar! La Allah Ella Allah!“ von arabischer Klassik geprägt und das Outro „Chorai Lusitânia!“ von traditioneller portugiesischer Musik. Damit zeigten Moonspell bereits früh ihr Gespür für Alleinstellungsmerkmale. Im Mittelteil geht es deutlich härter zur Sache als auf den ersten Studioalben der Band, was zwar mitunter gewöhnungsbedürftig für Fans von Wolfheart oder Irreligious sein kann, aber handwerklich stark gemacht ist.
Omega White (2012) – 8,6/10: Bester Stoff!
Das Schwesteralbum zu Alpha Noir beschäftigte sich mit dem Thema Dark Rock und Gothic Metal. Das funktionierte schon deutlich besser: Die Stücke wirken tatsächlich viel mehr wie eine Liebeserklärung an das Genre, als nach blanken Kopien. So hätte „White Skies“ genauso von den Sisters of Mercy stammen können. Für Aufsehen sorgte die Band mit der Type O Negative Hommage „New Tears Eve“ – tatsächlich klingen Moonspell hier wie ihre Vorbilder zu ihren besten Zeiten. Wagemut zahlt sich eben doch aus! Ebenso auf „Herodisiac“, wo für Moonspell sehr unübliche Chöre zum Einsatz kamen. Auch das Zusammenspiel aus starken Kontrasten wollte hier sehr gut funktionieren: „Incantatrix“ ist eine Mischung aus Melancholie und geweckter Hoffnung und „A Greater Darkness“ pendelt zwischen Soundgewalt und akustischen Momenten. Fairerweise muss man zugestehen, dass das Titellied das hohe Niveau nicht hält und „Fireseason“ sowie „Sacrificial“ nur solide sind. Dafür gibt es aber endlich mal wieder ein wirklich starkes Album der Band und ein Tribute, das den Vorbildern gebührenden Respekt zollt.
TOP: White Skies; New Tears Eve; Herodisiac; Incantatrix; A Greater Darkness
Wolfheart (1995) – 8,9/10: Bester Stoff!
Das Album ist zwar etwas heterogen geraten, aber die Band tritt beim ersten vollwertigen Album bereits sehr zielsicher auf. Viele Klassiker sind bereits enthalten, dazu zählen natürlich auch die beiden Longtracks, die das Album einleiten: „Wolfshade“ startet noch recht seicht, dann werden das Tempo angezogen und die Deathgrowls ausgepackt. Auf „Love Crimes“ werden dann in Punkto Härte und Tempo nochmal eine Schippe draufgelegt. Die gewohnte mystische Stimmung ist dort zwar nicht so recht vorhanden, dennoch ist die Leidenschaft spürbar. Bei „Of Dream and Drama“ kommen klarerer Gesang und klassische Riffarbeit zum Einsatz, bevor es mit „Lua D‘ Inverno“ ein kleines folkiges Instrumental gibt. Ab dem Zeitpunkt setzt die Band auch deutlich mehr auf das Okkulte. „Trebaruna“ beispielsweise ist viel hymnischer gesungen und lässt auch deutlich mehr Freiraum für traditionelle Einflüsse. Herzstück des Albums ist das düstere „Vampiria“, das wie ein Geisterritual anmutet, bevor es gegen Ende deutlich an Härte zunimmt. Ein absolutes Muss auf jedem Liveauftritt der Band! Auf „An Erotic Alchemy“ setzte man auf Emotionen, statt auf Brutalität – dabei aber mit dem gleichen Sound-Bombast. Dafür endet das Album mit „Alma Mater“ mit einem absoluten Knaller samt aggressiver Gesangseinlage. Schwache Stücke gibt es keine, dafür ein paar harte Grenzen zwischen den Stücken. Dennoch wurde mit dem ersten vollwertigen Album ein starkes Fundament aufgebaut.
TOP: Wolfshade; Love Crimes; Trebaruna; Vampiria; An Erotic Alchemy; Alma Mater
Sin/Pecado (1998) – 9,3/10: Meisterwerk!
Ganz die Klasse von Irreligious wurde zwar nicht erreicht, aber dennoch ist Album Nummer drei dicht daran. Der Stil hat nicht mehr die Schwere des doomigen Vorgängers, dafür klingt das Album über weite Strecken wie ein Album gewordener Psychothriller – wie das ungeahnt verstörende Cover bereits andeutet. Wieder wurde sehr schön die Waagschale gehalten zwischen den gewohnten okkult-mystischen Klängen und neuen musikalischen Einflüssen. Über das ganze Album verteilt ist das immer wieder spürbar: „2econd Skin“ bedient sich am Extreme Metal, „EuroticA“ am Industrial und „The Hanged Man“ am Folk. Dennoch wirkt das ganze nie zusammengewürfelt und trotz der vielen Stile gelingen die Übergänge so schön wie auf dem Vorgänger. Highlight des Albums ist, neben dem stimmungsvollen „Mute“, die düstere Power-Ballade „Abysmo“. Hier wird wieder einmal deutlich dass Gänsehaut durch Emotionen und nicht durch schiere Brutalität à la Cannibal Corpse entsteht. Selbiges gilt für das willensstarke und teils flehende „Let the Children Cum to Me“. Im Kontrast wirken Stücke wie „HandMadeGod“ dann doppelt so hart.
Mit Sin/Pecando festigten Moonspell ihren Ruf als eine der wichtigsten und auch kreativsten Gothic Metal-Bands.
TOP: HandMadeGod; 2econd Skin; Abysmo; V.C. (Gloria Domini); EuroticA; Mute; Dekadance; Let the Children Cum to Me, The Hanged Man
1755 (2017) – 9,5/10: Meisterwerk!
2017 sollte eine wahre Großtat Gestalt annehmen. 1755 ist ein Konzeptalbum über das große Erdbeben in Lissabon. Um diesem Vorhaben die nötige Opulenz zu verleihen, entwickelte die Band einen neuen Stil aus der gewohnten finsteren Härte und nun sehr präsenten symphonischen Einflüssen. Dadurch entsteht eine Stimmung, wie auf keinem anderen Werk der Band. Interessanterweise ist dies auch das einzige komplett in Portugiesisch verfasste Album der Band. Von Anfang bis Ende wird die bedrohliche Stimmung der düsteren Thematik deutlich: „Em Nome do Medo“ und das Titellied (bombastische Chöre!) leiten das Album mit ordentlich Schwung ein bis es mit „In Tremor Dei“ schon fast flehend wird. Ab Mitte des Albums kommt eine zunehmend nihilistische Stimmung auf, die die Verzweiflung der damaligen Bewohner Lissabons perfekt vertont. „Abanao“ und „Evento“ zeigen diese Hoffnungslosigkeit mit voller Härte und auch „Todos Os Santos“ ist nicht minder niederschmetternd. Ein unerwarteter wie aber auch zugleich stimmiger Abschluss ist das Os Paralamas do Sucesso-Cover „Lanterna Dos Afogados“. Trotz seiner ruhigeren Momente entstand damit ein kraftvoller Abschluss.
Ein gutes Konzeptalbum hat natürlich den Vorteil dass es kleine Schwächen gut kaschieren kann und zwischen den Highlights auch mal Platz für gute klassische Riffarbeit („Ruínas“) oder brutalere Momente ist („1 De Novembro“).
TOP: Em Nome do Medo; 1755; In Tremor Die; Abanao; Evento; Ruínas; Todos Os Santos; Lanterna Dos Afogados
Irreligious (1996) – 9,9/10: Meisterwerk!
Auf Album Nummer zwei sollte das Konzept der Portugiesen in Perfektion geführt werden. Die Übergänge auf dem Album gerieten deutlich flüssiger, ein Intro und ein Intermezzo wurden deutlich sinnvoller eingesetzt und die Band erweiterte ihren Gothic Metal um Doom-Klänge, wodurch das Album deutlich atmosphärischer ausfiel. Die neuen Doom-Klänge sorgten für neue Klassiker wie „Awake“, „Mephisto“ und natürlich den großen Hit „Opium“. Trotz der klaren Richtung, die eingeschlagen wurde, ließ man auch Platz für andere Einflüsse wie moderneren Metal auf dem aggressiven „For a Taste of Eternity“ oder besonders schweren Death-Doom auf „A Poisoned Gift“. Sinnbildlich für das Album steht vor allem der Hit „Full Moon Madness“: der Doom-Metal fällt mal härter und mal seichter aus, aber der Gothic-Stimmung des Debuts bleibt die Band treu. Auch wenn sie etwas unter dem Radar fliegen, sind auch „Ruin and Misery“ und „Herr Spiegelmann“ ein schillernder Beweis für die Leidenschaft und das Können der Band. Moonspell zeigten sehr eindrucksvoll wie die Stärken des Vorgängers mit neuen Facetten ausgestattet werden, anstatt sich auf dem Schema F auszuruhen. Ein Paradebeispiel wie es sein sollte!
TOP: Opium; Awake; For a Taste of Eternity; Ruin and Misery; A Poisoned Gift; Raven Clows; Mephisto; Herr Spiegelmann; Full Moon Madness
Moonspell Live
Bislang brachten Moonspell es auf drei Livealben, die auch allesamt als Live-DVD erhältlich sind. Den Anfang machte 2008 „Lusitanian Metal“ (Gelungen!), das zwar keine gravierenden Mängel, aber auch keine nennenswerten Überraschungen bereithält. 2018 wurde mit „Lisboa Under the Spell“ (Gelungen!) ein mehr als doppelt so langes Livewerk nachgelegt, das noch gekonnter eine düstere Atmosphäre schafft. Nur sind hier einzelne Stücke etwas schwächer als ihre Studiovorlagen. Und zuletzt wurde 2022 mit „From Down Below – Live 80 Meters Deep“ (Zwiespältig!) ein nicht ganz einfaches Werk vorgelegt. Die Atmosphäre in der portugiesischen Höhle ist wirklich gut, aber leider entschied man sich dazu das schwierige Werk „Hermitage“ live einzuspielen. Fans des Werks kommen auf ihre Kosten und zumindest hier sind die Stücke härter als im Studio, aber das schwache Songwriting bleibt leider bestehen.
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