Ranked: The Sensational Alex Harvey Band

17 min read

Die Sensational Alex Harvey Band (SAHB) ist ein Phänomen in der Rockgeschichte. Viele haben von ihr gehört, aber dennoch sind die Stücke nie so wirklich in den Mainstream gelangt. Dennoch war die schottische SAHB in den 70ern eine beliebte Band und sogar der spätere AC/DC Frontmann Bon Scott nannte Harvey eines seiner größten Vorbilder. Tatsächlich ähnelten sich die Stimmen der beiden erschreckend, wobei Harvey nie den reinen Hard Rock wie seine australischen Kollegen spielte. Vielmehr startete er als Bluessänger und wandte sich im Laufe seiner Karriere experimentellen Rock zu – bestes Beispiel dafür ist sein großer Hit „The Faith Healer“. Nachdem der Stern der SAHB zu sinken began, stieg er aus und ließ die Band ein Album ohne ihn aufnehmen. Nach seiner Rückkehr war nach einem weiteren Album jedoch Schluss und Harvey widmete sich wieder seiner Solo-Karriere. Ähnlich wie Bon Scott hatte Harvey ein unrühmliches Ende: Er verstarb 1982 nach einem doppelten Herzinfarkt. Sein Vermächtnis zwischen Blues, Hard Rock und Glam (vor allem optisch durch den Gitarristen Zal Cleminson vertreten) hätte allerdings kaum besser altern können.

TOP 5 zum ersten Reinhören:
Framed (1972, Framed)
Midnight Moses (1972, Framed)
The Faith Healer (1973, Next…)
Goodnight Irene (1976, The Penthouse Tapes)
Boston Tea Party (1976, SAHB Stories)

Fourplay (1977) – 0,3/10: Reinfall!
Autsch! Nachdem Alex Harvey die Band recht schlagartig verließ, entschieden sich die verbliebenen Bandmitglieder unter dem Namen SAHB (without Alex) einfach weiterzumachen und nahmen auch prompt ein ganzes Album auf. Als neuer Sänger fungierte Keyboarder Hugh McKenna, sein Cousin Ted und Gitarrist Zal Cleminson durften auch je einmal ans Mikro. Keiner der drei kommt an den dreckigen, erdigen Sound von Harvey ran und kann somit die Stimmung der alten Großtaten nochmal hervorheben. Das schien der Band auch durchaus bewusst zu sein, und so ist neben ein paar Boogierockern ohne nötigen Biss („Souldering“, „Shake Your Way To Heaven“) größtenteils Pop Rock enthalten. Paradebeispiel dafür ist das belanglose „Pick It Up And Kick It“. Stücke wie „Love You For A Life Time“ und „Too Much American Pie“ drifteten überflüssigerweise noch in schmalzigen Soft Rock ab…
Fans fühlten sich hintergangen, Harvey selbst hingegen unterstützte die Truppe in der Produktion und zeigte sich ironisch: Auf der Rückseite der LP ist er geknebelt zu sehen, während der Rest der Band um ein Mikrofon steht.
TOP: –

Rock Drill (1978) – 2,0/10: Reinfall!
Auf Rock Drill war die Luft endgültig raus. Während die Band auf Next noch zielsicher den Spagat aus Blues/Boogierock und experimentellen Klängen hinbekam, stellte sie sich hier ziemlich hilflos an. Dem düsteren Cover ist bereits zu entnehmen, dass sich Harvey und Konsorten am frühen Drone-Sound ausprobierten. Obendrein wurde über viele Stücke noch mit nervigen Synthesizern gekleckert. Das ging gehörig in die Hose und Stücke wie das Titellied, „The Dolphins“ oder das psychedelische „Nightmare City“ klingen sehr anstrengend. Dazu kommen noch einige nicht per se schlechte, aber ziemlich belanglose Rock-Nummern wie „Rock & Rool“, „Who Murdered Sex?“ und „Water Beastie“. Zum Strecken wurden noch zwei irrelevante Instrumentals hinzugefügt („King Kong“ und „Booids“).
Dennoch sei ein Lied positiv erwähnt: „Mrs. Blackhouse“ klingt wie eine Skiffle-Südstaatler-Ballade und ist eine zynische Abrechnung mit der konservativen Aktivistin Constance Whitehouse.
TOP: Mrs. Blackhouse

The Blues (Solo, 1964) – 4,1/10: Zwiespältig!
In bester Singer-Songwriter-Tradition veröffentlichte Harvey zu Beginn seiner Karriere ein recht unspektakuläres Cover-Album ohne viel Schnick-Schnack. Authentisch, erdig und durchaus anhörbar, aber die Bereitschaft neue Wege zu beschreiten und mal etwas Neues zu wagen fehlt noch gänzlich. So ist The Blues leider nur eine Ansammlung von Covern von Muddy Waters, Woody Guthrie, Jimmie Rodgers und anderen, die theoretisch von jedem anderen Folkmusiker der damaligen Zeit hätten stammen können. Dazwischen gibt es aber auch bereits ein paar zaghafte erste Versuche eigene Stücke zu schreiben (Zusammen mit Bruder Leslie).
Somit nicht schlecht, aber Innovation und die ungezügelte Kraft späterer Großtaten fehlen.

The Mafia Stole My Guitar (Solo, 1979) – 4,3/10: Zwiespältig!
Nach dem Ende der SAHB widmete sich Harvey wieder seiner Solokarriere. The Mafia Stole My Guitar ging einen starken Schritt Richtung Jazz-Blues, nicht zuletzt durch den ungewohnten Einsatz von Saxofonen. Grundsätzlich ein interessanter Ansatz, doch der überwiegende Teil der Songs ist zu unausgereift. Punkten können nur Titeltrack, der eine angespannte Stimmung mit einem spannenden Text kombiniert und das Medley „Just a Gigolo/I Ain’t Got Nobody“, bei dem zwei Populär-Stücke der 10er bzw. 20er Jahre angenehm jazzig interpretiert wurden. Abseits davon sieht es leider etwas düster aus. „Back in the Depot“ und „Wait For Me Mama“ können aus dem neuen Sound-Gewand nicht das volle Potential herausholen. Hinzu kommt noch ein billiger Hard Rocker („Oh Spartacus!“), eine kitschige Ballade mit zu vielen Sythies („The Whalers“) und zu allem Überfluss mit dem Johnny Kidd-Cover „Shakin‘ All Over“ ein Stück bei dem Harvey es kaum schafft Kraft in den Gesang zu bringen. Zu schade, denn der Ansatz war eigentlich sehr stark.
TOP: The Mafia Stole My Guitar; Just a Gigolo/I Ain’t Got Nobody

Alex Harvey and His Soul Band (Solo, 1964) – 5,5/10: Gelungen!
Wechselhaft zwischen R&B und Rock n‘ Roll ist das Debut des temperamentvollen Schotten angesiedelt. Bereits hier ist die Stimme von Harvey sehr stark ausgeprägt und seine Leidenschaft ist deutlich spürbar. Gerade auf den rockigeren Stücken kann das Saxofon punkten und allgemein wirkt die Band bereits wie eine Einheit. Für Rock n‘ Roll-Fans ist das Album also durchaus ein Vergnügen, im Gesamtwerk betrachtet hinkt es dann aber doch etwas hinterher. Insbesondere da zwischen den Rock n‘ Rollern auch mal unpassende, folkige Klänge zum Einsatz kommen („The Blind Man“).
Hinzu kommt noch ein (zu verzeihender) Etikettenschwindel, da es sich bei den Aufnahmen nicht um Harveys Soul Band, sondern um Sessionmusiker handelt. Es sei jedoch verziehen.

Tomorrow Belongs To Me (1975) – 6,5/10: Gelungen!
Auch das Zwillingsalbum zu The Impossible Dream kann nicht so ganz überzeugen, und das trotz einigen Höhepunkten. Dabei hatte Harvey hier eine gute Spur, die er hätte weiterverfolgen sollen: Back to the Roots. „Soul in Chains“ ist ein ruhiger und cooler Blues, der zeigt dass weniger auch mal mehr sein kann. Ähnliches gilt auch für den Storyteller „Shake That Thing“. Auf der anderen Seite fehlt bei vielen Stücken schlicht die Motivation. „Ribs and Balls“ und „Shark’s Teeth“ sind schlicht billig und „Give My Compliments To The Chef“ fährt im Fahrwasser von The Faith Healer. Dazwischen wird auf „Snake Bite“ unglücklich versucht den Hard Rock zu modernisieren. Es ist also viel Schatten auf dem Album, aber eben auch viel Licht. „The Tale Of The Giant Stoneater“ ist ein über sieben Minuten langer Storyteller und reicht von Rock über Klavierballade bis hinzu Country. Ein wahrhaft gelungenes Experiment!
Mit dem Opener „Action Strasse“ gibt es starken Hard Rock mit Mystery-Touch und Harveys Interpretation von dem Cabaret-Klassiker „Tomorrow Belongs to Me“ funktioniert wunderbar. Dürftig abgerundet durch ein etwas seltsames Outro, endet das Album insgesamt weitestgehend solide.
TOP: Action Strasse; Soul in Chains; The Tale of the Giant Stoneater; Shake That Thing; Tomorrow Belongs To Me

The Impossible Dream (1974) – 6,8/10: Gelungen!
Nach zwei überstarken Vorgängern geriet die Band etwas ins Wanken. „The Impossible Dream“ geriet sehr unschlüssig. Zwar deutet das Cover schon die Thematik an, dass sich Harvey auf die Einflüsse seiner Jugend bezieht, dennoch ist das Album zu heterogen um als Konzeptalbum durchzugehen. Musikalisch bediente er sich an vielen Ecken, aber an Härte mangelt es ebenso wie an wirklichen Klangexperimenten.
Eingeleitet wird das Album von dem zweigeteilten Werk „Hot City Symphony“. Part 1 ist dabei Hard Rock mit starker Riffarbeit, während sich die Band bei Part 2 etwas unglücklich mit Funk-Einflüssen verhadert. Missglückt gerieten auch der unterdurchschnittliche Rock ‚n‘ Roller „Long Hair Music“ und das richtungslose „Tomahawk Kid“. Glücklicherweise sind das allerdings schon alle Schwachpunkte, denn abseits von den Ausrutschern gibt es durchaus ein paar unterschätzte Stücke. Die Single-Auskopplungen haben es beispielsweise sehr in sich. Auf der A-Seite wird mit dem Swing-Intermezzo „Hey“ angekündigt, womit es auf der B-Seite gleich weitergeht: „Sergeant Fury“ ist ein schmissiges Big Band-Stück, das zwar nichts ist, was man von Harvey kannte, aber dennoch super funktioniert. Und auch die rührende Ballade „Anthem“ kann absolut punkten. Erwähnenswert sind noch das lässige „River of Love“ und das kleine Rock ‚n‘ Roll Medley „Money Honey / Impossible Dream“. Während das vom 60s-Pop angehauchte „Weights Made Of Lead“ nicht wirklich Not getan hat.
TOP: Hot City Symphony Part 1; River Of Love; Sergeant Fury; Money Honey / Impossible Dream; Anthem

Roman Wall Blues (Solo, 1969) – 7,1/10: Gelungen!
Der entscheidende Schritt zum Rockmusiker wurde mit diesem Album getan. Der einstige Blues- und Soulsänger entwickelte sich weiter, ist aber noch vom Hard Rock der SAHB weit entfernt. Demnach ist dieses Album als Übergangswerk zu betrachten, auf dem sich Harvey im 60s-Pop Rock austobt. Gewöhnungsbedürftig sind hierbei die Trompeten-Töne, die eher mäßig gut gealtert sind. Mitunter sind diese gut eingesetzt, bei „Hello LA, Bye Bye Birmingham“ oder dem Rock n‘ Roller „Donna“ war es zu viel des Guten. Der Prototyp vom späteren Hit „Midnight Moses“ klingt zwar etwas gewöhnungsbedürftig, hat aber seinen Reiz. Ebenso ungewöhnlich wie gelungen ist auch das jazzige Instrumental „Down at Bart’s Place“. Seine Stärke als Blues-Interpret zeigte er nochmals mit „Let My Bluebird Sing“ und dem spannenden Historientrack „Roman Wall Blues“. Auf letzterem zeigte er auch eine bemerkenswerte Performance als Storyteller, die er auch auf „Broken Hearted Fairytale“ und dem kühlen „Maxine“ zum beste gab. Dazu kommt noch etwas unterdurchschnittliche Kost wie das Stones-Cover „Jumping Jack Flash“ und der 60s-Pop „Candy“, der etwas zu viel Zucker beinhaltet.
Keine absolute Glanzleistung, aber auch beileibe keine Bruchlandung!
TOP: Midnight Moses; Broken Hearted Fairytale; Roman Wall Blues; Let My Bluebird Sing; Maxine; Down at Bart’s Place

Soldier On The Wall (Solo, 1982) – 7,9/10: Bester Stoff!
Stark vom New Wave beeinflusst, gab Harvey auf diesem Album seinen Schwanengesang. Er war spürbar in den 80er-Jahren angekommen und bediente sich an den damaligen Trends, ohne sich wie viele andere 60er-Veteranen zu verzetteln. Bereits auf dem Opener „Mitzi“ zeigte er wie gut Hard Rock und Synthesizer harmonieren können und auf dem Remake seines Solo-Hits „Roman Wall Blues“ schaffte er die Stimmung, die sonst nur OMD zu erzeugen vermochten. Der verrückte Polka-Track „Snowshoes Thompson“ war ein völlig neuer Weg im Alex Harvey-Oeuvre und ist damit natürlich eine starke Geschmackssache. Das eigentliche Herzstück des Albums ist allerdings mit Abstand der Eröffnungstrack der B-Seite: „The Poet and I“. So sensibel und emotional klang Harvey nie zuvor und die Dudelsäcke schufen eine einzigartige Note. Zurecht gab es von diesem Stück am Ende des Albums noch ein Reprise. Davor gibt es mit „Nervous“ noch einen drumlastigen, bissigen Rocker und mit „Carry the Water“ einen leidenschaftlichen Bluesrock wie in der goldenen Ära. Leider verzettelte sich Harvey mit dem Synthesizer-Reggae-Experiment „Billy Bolero“ und dem kitschigen „Flowers Mr. Florest“ etwas, wodurch es leichte Abzüge in der Wertung gibt. Dennoch: Ein ebenso zeitgemäßes wie auch den Wurzeln Respekt zollendes Abschiedswerk.
TOP: Mitzi; Snowshoes Thompson; Roman Wall Blues; The Poet and I; Nervous; Carry the Water

SAHB Stories (1976) – 8,4/10: Bester Stoff!
Harvey fand endlich zu seinen Songwriter-Qualitäten zurück. Und nicht nur das: Wie das Cover bereits anmutet, ließ Harvey seine kühle Ader wieder aufblitzen. Besonders hervor sticht da natürlich die Hitsingle „Boston Tea Party“, bei dem Storytelling in einem Midtempo-Rocker zum Einsatz kam. Aber auch ein gelungenes Bluescover dufte nicht fehlen und so wurde Jerry Reeds „Amos Moses“ in bester Tradition des Vorgängerwerks in SAHB-Manier neu interpretiert. Zugegeben bog die Band mit Synthieklängen und Disco-Anleihen bei den Stücken „Jungle Rob Out“ und „$25 For A Message“ falsch ab, aber dafür gibt es genug Entschädigung. Weitere Highlights sind enthalten von dem Gute-Laune-Hardrocker „Dance To Your Daddy“ bis zu Kuriosem wie „Sirocco“. Dort bleibt die Band sehr ruhig, erschafft aber eine Stimmung wie bei einem Mitternachts-Spaziergang. Rockiger, dabei aber auch stehts mühelos lässig fällt „Dogs of War“ aus und auf „Sultan’s Choice“ bediente man sich gekonnt am Soul.
Die SAHB war wieder gut im Geschäft, dennoch stieg Frontmann Alex Harvey kurz nach dem Album aus. Schade, denn wie auch mit dem Vorgänger bewies die Band ein gutes Gespür dafür rockige Experimente und erdigen Blues zu kombinieren.
TOP: Dance To Your Daddy; Amos Moses; Sirocco; Boston Tea Party; Sultan’s Choice; Dogs of War

The Penthouse Tapes (1976) – 8,7/10: Bester Stoff!
Nach den beiden nicht ganz unproblematischen Vorgängern war es Zeit für einen Taktikwechsel. Coveralben sind bekanntermaßen ein schwieriges Unterfangen, mit den Penthouse Tapes machte die SAHB jedoch definitiv alles richtig. Denn statt die Stücke schlicht nachzucovern, setzte die SAHB ihren eigenen Stempel auf die Stücke. Neben den Covern steuerte die Band auch drei eigene Songs bei. Zum einen der eingängige Bluesrocker „I Wanna Have You Back“, dann noch den Glam Rocker „Jungle Jenny“ und etwas zu kitschige Countryballade „Say You’re Mine“. Bei den Coverversionen tobte sich die Band zum einen bei Rock und Rock ‚n‘ Roll-Stücken aus. Zwar geriet Alice Coopers „School’s Out“ etwas holprig, aber punkten können dafür „Runaway“ (Del Shannon) und der furiose Hardrocker „Crazy Horses“ (The Osmonds). Sehr kühl und streckenweise bedrohlich fiel im Kontrast die Interpretation von Jethro Tulls „Love Story“ aus. In der zweiten Hälfte liegt der Fokus hauptsächlich auf Blues- und Folk-Covern. Lead Bellys „Goodnight Irene“ startet als A capella und wird dann zu einem flotten Bluesrock. Absolut genial! Im harten Kontrast dazu klingt „Gamblin‘ Bar Room Blues“ (vom Godfather of Country Jimmie Rodgers) sehr niedergeschlagen. Schlusspunkt des Albums bildet die Liveversion des Traditional Pop-Covers „Cheek To Cheek“. Das ist zwar dicht an vorherigen Versionen, wie die von Doris Day, Billie Holiday oder Frank Sinatra, doch auch mit Alex Harveys rauerer Stimme funktioniert das Stück.
TOP: I Wanna Have You Back; Jungle Jenny; Love Story; Goodnight Irene; Gamblin‘ Bar Room Blues; Crazy Horses; Cheek To Cheek

The Joker Is Wild (Solo, 1972) – 9,0/10: Meisterwerk!
The Jokes Is Wild kann als die Blaupause für die folgenden Alben der SAHB angesehen werden. Die 60er ließ Harvey hinter sich und traute sich weniger auf Massentauglichkeit zu setzen. Wie auf den nachfolgenden Alben ist spürbar dass Harveys Herz für den Blues schlägt, er aber immer noch genug Freiraum für Experimente lässt. Neben einigen wunderbaren lässigen Bluesnummern wie „Penicillin Blues“ und „I’m Just A Man“ gibt es mit dem Titelstück auf Bluesrock im höheren Tempo. „Make Love To You“ klingt wunderbar dreckig und erschien auch auf dem nachfolgenden Album Framed. Das Medley-Konstrukt um „Hare Krishna“ und „Willie The Pimp“ ist zwar etwas Geschmackssache, da nicht alle Experimente dort voll zünden und auch das etwas richtungslose „Silhouette and Shadow“ ist kein Highlight, aber dafür können das seichte Hollies-Cover „He Ain’t Heavy“ und der Spagat zwischen komplexen Elektrosounds und erdigem Rock funktioniert auf dem Closer „Flying Saucer’s Daughter“ wunderbar. Im Verhältnis nicht ganz die Klasse von Framed oder Next, aber dennoch ein starkes Album, das gealtert ist wie ein guter Wein.
1975 wurde das Album unter dem Namen der SAHB neu herausgebracht, an sich zu verschmerzen, denn es hängt doch irgendwo mit der Bandgeschichte zusammen.
TOP: The Joker Is Wild; Penicillin Blues; I’m Just A Man; Make Love To You; He Ain’t Heavy; Flying Saucer’s Daughter

Next… (1973) – 9,6/10: Meisterwerk!
Nicht weniger hart, aber deutlich experimenteller geht es auf dem zweiten Album der SAHB zu. Während sich Harvey auf dem ersten Album noch sehr stark an sein Steckenpferd Blues klammerte, wagte er sich hier auf neues Terrain. Ganz präsent ist da natürlich der große Hit „The Faith Healer“, bei dem elektronische Klänge und ein Schuss Esoterik den Ton angaben und Harveys meistgecovertes Stück wurde (u.a. Fish, Helloween, Saxon). Auf dem Titelstück wurde es dann theatralisch und sogar leicht musicalhaft. Ungewohnt schwermütig startet „The Last Of The Teenage Idols“, doch schwingt das Stück im Verlauf zu schmissigem Boogie Rock um. Den gibt es auch beim genialen Opener „Swampsnake“, der besonders durch die Mundharmonika besticht. Dafür wurde sogar extra der Session-Musiker Graham Smith engagiert. Neben dem wunderbar schelmischen Bluesrocker „Gang Bang“ ist mit „Vambo Marble Eye“ auch solider Psychedelic Rock enthalten. Ein gekonntes Spaß-Projekt in dem sonst experimentellen Werk ist das verrückte Rockabilly-Stück „Giddy Up A Ding Dong“. Harvey stolzierte mit viel Selbstbewusstsein über dünnes Eis, denn die Waagschale aus erdigem Bluesrock und neuen experimentellen Wegen ist schwer zu halten – aber in diesem Fall sollte nichts schiefgehen!
TOP: Swampsnake; Gang Bang; The Faith Healer; Giddy Up A Ding Dong; Next; The Last Of The Teenage Idols

Framed (1972) – 9,8/10: Meisterwerk!
Die SAHB legte ein absolutes Bilderbuch-Debutwerk vor. Ein Highlight jagt das nächste, sodass es nie langweilig wird. Zwischen Hard Rock und Bluesrock angesiedelt und mit immensem Selbstbewusstsein schreitet die Band voran. Ein besonderer Erfolg wurde das Titelstück, ein sehr schwerer Blues, der Fans der alten Bluestage, wie auch des aufkeimenden Hard Rocks begeisterte. Im überwiegenden Teil geht es jedoch deutlich lässiger zu: „Buff’s Bar Blues“ ist quasi das komplette Gegenteil zum niedergeschlagenen Titelstück und „I Just Want To Make Love To You“ überzeugt mit seinen coolen Funk-Einlagen. Sehr stark gerieten auch der Boogierocker „Hole In Her Stockings“ und der energetische Schlusstrack „St. Anthony“. Die Power ging der Truppe also bis zum Ende nicht aus. Herzstück des Albums ist aber der sehr lässige wie auch sehr dreckig vorgetragene Hard Rocker „Midnight Moses“. Neben der harten und bleiernen Kost gibt es aber auch ein paar Expansionen in andere Gebiete: „Isobel Goudie“ ist eine schon leicht heroisch anmutende Powerballade und der „Hammer Song“ ein wunderbar kühler Storyteller. Neben den ganzen starken Stücken fällt dann „There’s No Lights On The Christmas Tree, Mother They’re Burning Big Louie Tonight“ leider ziemlich ab. Der schelmische Gesang von Harvey hat seinen Reiz, aber insgesamt bleibt das Stück zu blass.
Der kleine Ausrutscher ist verkraftbar, denn abseits davon gibt es auf dem Album nichts zu beanstanden!
TOP: Framed; Hammer Song; Midnight Moses; Isobel Goudie; Buff’s Bar Blues; I Just Want To Make Love To You; Hole In Her Stocking; St Anthony

Alex Harvey Live
Wie es sich für jede Band, die in den 70ern Rang und Namen hatte, gehört veröffentlichte auch die SAHB ein Album, das viele der Studioversionen noch übertraf. Mit „Live“ (Meisterwerk!) gelang der Band ein energetisches Feuerwerk der Extraklasse! Erst 1991 wurde mit „BBC Radio 1 Live in Concert“ (Zwiespältig!) ein weiterer Mitschnitt veröffentlicht. Dieser klingt deutlich schwächer, vor allem klingt Harveys Stimme nicht so dreckig, wie es sich die Fans von ihm wünschten. 2004 kam mit „British Tour 76‘“ (Gelungen!) ein weiterer solider Mitschnitt heraus, der eine starke, wenn auch nicht überragende Liveband zeigt. In erster Linie wurde der Mitschnitt für die Framed-Variante berühmt, in der Harvey den Text auf Adolf Hitler umdichtete. Deutlich empfehlenswerter ist da der 2006 erschienene Mitschnitt „US Tour 74‘“ (Bester Stoff!), der fast mit dem 75er Live mithalten kann.
Nach Alex Harveys Tod kam es zu mehreren Live-Reunions, die auch als Album veröffentlicht wurden. Das wurde von Fans und Kritikern durchaus kontrovers aufgenommen und so stand „Live in Glasgow 1993“ (Reinfall!) bei seiner Veröffentlichung im Folgejahr in keinem guten Licht. Stevie Doherty kann als neuer Sänger nicht überzeugen und die Band versuchte auf Krampf härter zu klingen. Noch schlimmer fiel es 2006 mit „Zalvation“ (Reinfall) aus (das Cover sollte bereits abschrecken), bei dem die Band versuchte sich den damals modernen Metal-Klängen anzupassen und bei dem Harvey noch spürbarer fehlt.
Als Kuriosum sei noch das 1977 erschienene Hörspiel „Alex Harvey Presents The Loch Ness Monster“ (Ohne Wertung!) genannt. Durchaus mühevoll gemacht und wer es mag hat seinen Spaß dran, aber mit Harveys Musik hat das ganze nichts zu tun.

You May Also Like

+ There are no comments

Add yours